Liebe ist staerker als Rache
ist nicht wahr! dachte sie wie betäubt.
Sie hätte schon gewarnt sein müssen, als Morales die Tür aufgemacht hatte. Er war ziemlich angetrunken gewesen, deutlich stärker als noch eben im Speisesaal. Zuerst verhielt er sich jedoch ebenso charmant wie zuvor – und vor allem interessiert. Das entwaffnete sie, und sie sagte sich, dass sie wohl zu empfindlich sei. Sie versuchte zu ignorieren, dass er leicht schwankte und kaum noch richtig sprechen konnte. Plötzlich setzte er sich jedoch neben sie und legte ihr die Hand aufs Knie. Erschreckt zuckte sie zurück, und plötzlich veränderte sich die Situation schlagartig. Morales verwandelte sich in ein Ungeheuer.
Er zerriss ihr Kleid und ohrfeigte sie, als sie sich wehrte. Irgendwie gelang es ihr, sich loszureißen. Der einzige Fluchtweg, der ihr offenstand, war jedoch das Bad. Dort verbarrikadierte sie sich. Er tobte und beschimpfte sie, aber dann war auf einmal alles still.
Sie presste ihr Ohr an die Tür und vernahm ein lautes Schnarchen. Mit hämmerndem Herzen schloss sie auf.
Morales lag auf der Couch und schlief mit weit geöffnetem Mund. Vor Erleichterung hätte Maddie am liebsten geweint, aber sie riss sich zusammen und schlich zur Tür. Mit bebenden Händen gelang es ihr, sie aufzubekommen. Endlich stand sie im Flur. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie während des Kampfes ihre Schuhe verloren hatte, aber um nichts auf der Welt wäre sie noch einmal zurückgegangen.
Ein einziger Gedanke beherrschte sie: Fort, nur fort von hier!
Nic bog um die Ecke, nachdem er Estelle zu ihrem Zimmer begleitet hatte, die sich köstlich über diese altmodische Geste amüsierte. Plötzlich blieb er wie angewurzelt stehen. Erschreckt registrierte er, wer da auf ihn zukam. Der Moment des Erkennens durchfuhr ihn wie ein Blitz. Ihm war bewusst, dass er sich auf der Etage befand, wo Morales’ Suite lag. Habe ich tatsächlich gehofft, Maddie zu ertappen? Ob bewusst oder unbewusst – jedenfalls stand sie vor ihm.
Eine unbändige Wut erfasste ihn. Und noch ein anderes – weitaus stärkeres Gefühl: Eifersucht! Nie zuvor hatte er so etwas empfunden.
In diesem Moment hob Maddie den Blick – wie ein Reh im Scheinwerferlicht erstarrte sie. Sie gab einen Laut von sich, der wie ein ersticktes Schluchzen klang. Dann drehte sie sich abrupt um und rannte in die entgegengesetzte Richtung. Weg von ihm!
Als Erstes fiel ihm ihre ruinierte Frisur auf. Dann entdeckte er ihre bloßen Füße. Der Anblick ihrer nackten Füße ließ sie seltsam verletzlich wirken. Dabei kam sie doch gerade aus … Ihm wurde fast schwarz vor Augen, und bevor er wusste, was er tat, eilte er ihr hinterher.
„Und? Hast du Morales geliefert, woran er interessiert war? Oder nur ein Appetithäppchen, damit er weiter am Ball bleibt?“, fragte er, als er auf Reichweite herangekommen war.
Maddie blieb stehen, drehte sich jedoch nicht um. „Lass mich einfach in Ruhe, Nic.“
Seine Wut steigerte sich noch. So kann sie mich nicht behandeln! Er packte sie bei der Schulter, riss sie herum – und starrte sie entsetzt an. „Maddie! Hat Morales dir das angetan?“
Nic hob ihr Kinn, um ihr Gesicht zu betrachten. Sie zuckte zurück. Ihr Gesicht war schneeweiß, und die Wunde an ihrer Lippe stach deutlich hervor.
„Los, sag es schon! Sag: Ich habe dich gewarnt.“ Sie rang um Fassung. Es war ihr unerträglich, dass Nic Zeuge ihrer Demütigung wurde. Nie zuvor hatte sie sich derart schwach und verletzlich gefühlt. Außerdem wollte sie sich nicht eingestehen, dass sie sich am liebsten an ihn geklammert hätte. Sie blickte zu Boden, um die Tränen in ihren Augen zu verbergen.
„Als ich dich vor Morales warnte, war das ein reines Bauchgefühl. Ich konnte ihn noch nie leiden, nicht zuletzt wegen seiner Geschäftspraktiken. Aber nie im Leben hätte ich ihm das zugetraut.“
„Offensichtlich kannst du dich auf dein Bauchgefühl verlassen.“
„Wann … wann hat er dir das angetan. Nachdem ihr …“
Maddie sah Nic mit fassungslosem Entsetzen an. Er glaubt, ich habe mit Morales geschlafen! Er hält mich offensichtlich für absolut verdorben! Ihr wurde übel. Gleich würde sie sich übergeben müssen. Aber letztendlich habe ich mir das selbst zuzuschreiben, sagte sie sich. Schließlich habe ich alles darangesetzt, als Frau von Welt zu wirken, der nichts Menschliches fremd ist.
Plötzlich verließ sie alle Kraft. Sie konnte nicht mehr kämpfen. Der Schock, der sie in eine Art Betäubung versetzt hatte, wich
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