Liebe kann man nicht planen, Casanova
bereitete sich mit einigem Missbehagen auf den Weihnachtsabend mit Russell und seiner Familie vor. In erster Linie störte sie natürlich Damons Anwesenheit. Wie sollte sie sich ihm gegenüber verhalten? Wie würde er auf sie reagieren? Sie war kurz davor, Russell anzurufen und sich krankzumelden. Manchmal konnten Lügen doch sehr praktisch sein.
Doch war sie es nicht gewesen, die Damon gegenüber eine ganz strikte Haltung gegen das Lügen bezogen hatte? Wie konnte sie von ihm etwas erwarten, woran sie sich selbst nicht hielt?
Dass Ruby bereits gegen fünf Uhr nachmittags – zwei Stunden vor der geplanten Verabredung – ihren Kleiderschrank öffnete, verriet einiges über den Zustand ihrer Nerven. Das Restaurant schrieb formale Abendgarderobe vor. Was würden wohl Lena und Poppy tragen? Wenn sie Damon Glauben schenken durfte, dann würden sie in gedeckten Tönen und schlichten Schnitten auftauchen.
„Was soll ich anziehen, Kätzchen?“
Sie wandte sich der kleinen getigerten Katze zu, die sich am Türrahmen rieb. „Das kleine Schwarze?“ Ruby nahm gleich zwei Kleider aus dem Schrank, auf die die Beschreibung passte. Das eine war eng und trägerlos, das andere hatte zwar kleine Ärmelchen, besaß aber einen tiefen Ausschnitt und saß ebenfalls sehr körperbetont. Nicht gerade optimal, um seine Kurven zu verstecken. Und auch sicher nicht das Passende für Weihnachten.
„Schwarz ist mir außerdem zu düster. Wie wäre es mit dem violetten Kleid? Wunderschöner Schnitt, nicht zu gewagt, und ich habe ein passendes Haarband dazu!“ Ruby lachte. „Das wird Damon gefallen. Dann hat er auch etwas, worauf er sich konzentrieren kann, anstatt nur wieder mit mir zu flirten.“
Duschen, Schminken, Anziehen. Ruby brauchte dafür keine Stunde. Es war erst sechs Uhr, und sie verspürte eine kribbelige Nervosität. Um Viertel nach sechs war Ruby mit ihrer Geduld am Ende. Sie griff zum Telefon und rief bei Russell an. Zum Glück war er es, der abnahm. Sie erklärte ihm, dass sie noch einige Besorgungen machen müsse und von dort aus direkt ins Restaurant käme. Sie müsse also nicht extra abgeholt werden.
„Eins zu null für Ruby“, erklärte sie der kleinen Katze, nachdem sie aufgelegt hatte. So hatte sie die Möglichkeit, den Abend zu beenden, wann sie es für richtig hielt, und war nicht auf die anderen angewiesen. Außerdem ersparte sie sich die Fahrt in der Limousine. Zu fünft wäre es schon ein wenig eng und nicht auszudenken, wenn sie Knie an Knie neben Damon sitzen müsste.
Um Punkt sieben Uhr betrat Ruby das Restaurant. Familie West stand an einem der eleganten Stehtische im Barbereich. Jeder von ihnen hielt eine zierliche Champagnerflöte in Händen, und alle vier sahen äußerst elegant aus. Aus der Ferne hätte man sie allerdings kaum für eine Familie gehalten, nicht zuletzt, weil jeder von ihnen eine andere Haarfarbe hatte.
Russells Haar war grau und wellig, Damon hatte fast schwarzes glattes Haar. Poppy hatte blondes Haar und – wie Ruby beim Näherkommen feststellte – kornblumenblaue Augen. Lenas Haare waren braun und gelockt, ihre Augenfarbe war grau. Während sich Poppy für ein dunkelblau-silbernes Kleid in A-Form entschieden hatte, trug Lena schwarze Hosen und ein cremefarbenes Seidentop, das ihre Zartheit noch mehr unterstrich. Sehr unterschiedlich, die beiden Schwestern. Was sie wohl von ihrer Garderobe hielten? Wahrscheinlich fanden sie sie zu bunt und auffällig, zu theatralisch. Wahrscheinlich würden die drei ohnehin nicht allzu viele Gemeinsamkeiten aneinander entdecken.
Dann lenkte Ruby ihren Blick auf Damon. Sie hielt für einen Moment den Atem an. Er sah in seinem dunklen Abendanzug einfach umwerfend aus. Das durfte sie sich natürlich nicht anmerken lassen. Doch als hätte er ihre Augen auf seinem Körper gespürt, wandte er seinen Kopf geradewegs in Rubys Richtung, und ihre Blicke trafen sich.
„Damon.“
Sie war nun am Tisch angekommen.
„Ruby!“ Wie zum Geier sollte er sich ihr gegenüber verhalten? Cool und distanziert? Fröhlich und höflich? „Schönes … Haarband!“
Flirtete er etwa schon wieder mit ihr?
„Ähm, danke.“ Am Haarband war ein filigraner Seidenschmetterling befestigt, der über Rubys linkem Ohr prangte. „Nicht etwas zu – auffällig?“
„Nein, gar nicht.“ Er spitzte die Lippen. „Sieht festlich aus.“
Das breite Grinsen auf den Gesichtern der beiden Schwestern verwandelte sich in ein freundliches Lächeln, als Ruby sich ihnen
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