Liebe kennt keine Gefahren
zurück! « rief Alex ihr noch zu, während er schon mit dem ungesattelten Pferd davongaloppierte und den Kutschgaul zwang, sich so schnell zu bewegen wie wahrscheinlich nie zuvor in dessen Leben.
Jessica war sprachlos. Einen Augenblick konnte sie überhaupt nicht begreifen, was da vorgefallen war. Eben hatte Alex ihr noch langatmig etwas von Liebe und Patriotismus erzählt, und im nächsten Augenblick galoppierte er, ihr Cape um die Schultern, mit einem Kutschpferd davon.
Jess bewegte sich langsam wie eine Traumwandlerin zurück auf die Kuppe und beobachtete, was sich nun dort unten tat, Sie sah Alex im gestreckten Galopp die Anhöhe hinunterreiten, direkt auf die Gruppe mit den Fackeln zu. Doch dann konnte sie seinen weiteren Weg in der Dunkelheit nicht mehr verfolgen. Und zu ihrer Linken waren die Bewegungen des Schwarzen Rebellen auch nicht mehr deutlich wahrzunehmen.
»Meine beiden Männer«, sagte sie und holte rasch Luft. Ihre beiden Männer wurden von einer Armee britischer Soldaten verfolgt.
Sie bekam Alex wieder zu Gesicht, als das Licht der Fackeln ihn kurz erfaßte. Einen Moment lang herrschte dort unten Verwirrung, bis die Leute umkehrten und anfingen, Alex zu verfolgen, so daß der Schwarze Rebell, der von einer zweiten Gruppe Soldaten gejagt wurde, plötzlich wieder einen Weg zur Flucht frei hatte.
Dann verschwanden Fackeln und Reiter aus ihrem Blickfeld. Jess setzte sich auf den Boden, ihr Gesicht in den Händen bergend. Warum machte Alex nur so etwas Dummes? fragte sie sich. Warum riskierte er seine Gesundheit, um einem Mann zu helfen, den er für einen Dummkopf hielt?
Eine Stunde blieb Jess auf der Anhöhe. Sie sah, wie die Fackeln im Wald untertauchten und später wieder am Rand der Stadt erschienen. Sie sah, wie die Fackeln paarweise Straßen und Gassen absuchten und sich schließlich zum Kai hinunterbewegten.
»Sie haben ihre Spur verloren«, flüsterte Jess und bewegte sich auf das Pferd zu. Sie mußte nach Hause, um Alex zu helfen. Der Schwarze Rebell würde dorthin reiten, wo auch immer er wohnen mochte -vielleicht in die Arme seiner liebenden Frau zurückkehren. — Aber Alex würde sie nun brauchen.
Es war nicht einfach, die Kutsche mit nur einem anschirrten Pferd den steilen Hügel hinunterzulenken, doch Jess achtete nicht auf die Schwierigkeit, die sie beim Wagenlenken zu bewältigen hatte. Sie beherrschte nur eine Sorge: Sie mußte zu Hause sein, wenn Alex zurückkam:
Da sie die Verfolgungsjagd von der Anhöhe aus beobachtet hatte, wußte sie, wo die Soldaten die Stadt absuchten, und vermied diese Stellen. Sie wollte nicht mit den Uniformierten zusammentreffen und ihnen erklären müssen, wo ihr zweites Kutschpferd geblieben war und was ihr Mann damit gemacht hatte.
Sie gelangte zum Montgomery-Haus, ohne daß sie vielen Leuten oder gar einem englischen Soldaten begegnet war. Nachdem sie Kutsche und Pferd dem Dienstmann überlassen hatte, der für den Stall verantwortlich war, wollte sie in ihr Zimmer zurückgehen.
Doch Sayer rief sie durch die offene Tür an, und ehe sie wußte, was geschah, weinte sie an der Schulter des alten Mannes und erzählte ihm, was vorgefallen war.
»Du liebst ihn, nicht wahr? « sagte Sayer, ihr das Haar streichelnd. »Du liebst meinen Sohn mehr, als du deinen hübschen, verwegenen Schwarzen Rebelten liebst? «
»Ja«, schluchzte Jessica. »Alex klagt und wimmert und macht einem eine Menge Scherereien, aber er ist wirklich ein guter Mann. Er hilft so viel, wie er kann, wenn man seinen körperlichen Zustand bedenkt. Doch das heute nacht war zuviel. Er kann unmöglich so verrückt reiten, ohne seine Gesundheit zu ruinieren. «
Sayer drückte sie noch fester an sich. »Es ist deine Gesundheit, die mir Sorgen macht. Ich denke, es ist Zeit, dieses Versteckspiel aufzugeben. « Er löste sie von seiner Schulter. »Geh auf dein Zimmer und warte dort auf Alex. Und morgen möchte ich, daß ihr beiden um vier Uhr hier zum Tee erscheint und sorge dafür, daß Alex sich nicht unter einem Vorwand davor drückt. Bring ihn mit zum Tee. «
»Wenn er gesundheitlich dazu in der Lage ist«, sagte Jess schniefend. »Ich muß ihm unbedingt Wasser warmmachen, damit er seine kalten Füße darin baden kann. «
Sayer strich seiner Schwiegertochter die Haare aus der Stirn. »Ja, verwöhne ihn noch heute nacht, weil du vermutlich morgen abend nicht mehr dazu aufgelegt bist. « »Was meinst du damit? «
»Ich werde dir das morgen sagen. Nun geh und kümmere dich um deinen
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