Liebe kommt auf sanften Pfoten
Juliet, »also der Jeansrock mit dem schwarzen Oberteil und Lippenstift. Zusammen mit den hohen Stiefeln, die dein Daddy nie gemocht hat, weil ich seiner Meinung nach darin aussehe, als wollte ich gleich damit ein Motorrad angreifen.«
Wer A sagt, muss auch B sagen, dachte Juliet. Wahrscheinlich erkenne ich mich gleich selbst nicht mehr.
Als sie gerade den Reißverschluss der Stiefel zumachte, klingelte es an der Haustür. Minton sprang vom Bett und rannte die Treppe hinunter, um den Besucher unter die Lupe zu nehmen.
Juliet folgte ihm langsam. Wegen der hohen Absätze musste sie zur Sicherheit schräg auf jede Treppenstufe treten und dann unter dem Einsatz völlig anderer Muskeln als gewohnt den Flur durchqueren. Andererseits war es auch ein recht befreiendes Gefühl, dass ihr nun niemand erklärte, wie albern es gewesen war, sich Stiefel zu kaufen, auf denen sie weder stehen noch gehen konnte.
»Tut mir leid, dass Sie warten mussten«, erklärte sie, als sie die Haustür aufriss. »Oh, hi!«
Vor ihr stand Lorcan mit ein paar Farbdosen in den Händen.
»Wow!«, stieß er aus und musterte sie theatralisch von Kopf bis Fuß. »Ist Stelzenlaufen wieder in?«
»Halt die Klappe!«, erwiderte Juliet. »Das ist voll im Trend. Außerdem gehe ich irgendwohin, wo ich vielleicht über die Köpfe der Leute hinwegschauen muss.«
»Du hättest auch einfach nur ein wenig mehr bezahlen können, um dann weiter vorn einen Sitzplatz zu bekommen«, entgegnete Lorcan.
»Ich gehe zu keinem Konzert, sondern zu einer Fotovernissage.«
»Jetzt? Wer hätte gedacht, dass es so etwas hier in Longhampton gibt!« Lorcan zog die Augenbrauen hoch und tat, als sei er geblendet. »Übersteigt ein wenig mein soziales Milieu , so eine Vernissage … Aber egal. Wie sieht’s aus? Hast du morgen Zeit, damit wir das Badezimmer streichen können? Ich könnte dich in die Geheimnisse der wasserabweisenden Latexfarben einweihen!«
Er hob die Dosen an, damit sie den Namen des Farbtons lesen konnte: Indian Tea. Das war genau jener altmodische Grünton, den sie haben wollte, um die glasgrünen Fliesen in der Dusche noch mehr zur Geltung zu bringen. Obwohl sie sich nicht daran erinnern konnte, Lorcan je davon erzählt zu haben.
»Dann brauche ich meine Leiter auch nicht zu holen – mit den Absätzen kommst du beim Anstreichen nämlich problemlos bis an die Decke.«
Juliet kam nicht umhin, festzustellen, dass er sich kaum Mühe machte, sein Grinsen zu verbergen. Zum Dank schubste sie ihn leicht.
»Jetzt hör schon auf, dich über meine Stiefel lustig zu machen, Lorcan! Die sind total in!« Plötzlich hielt sie verunsichert inne. »Oder mache ich mich tatsächlich lächerlich?«
»Neeein« , erwiderte Lorcan. »Du siehst toll aus. Wirklich … toll.«
»Tatsächlich?«
Er nickte.
»Nicht zu … verkleidet?«
»Nein. Auch nicht zu leger. Sieht für meinen Geschmack ganz nach einem Date aus!« Er zog die Augenbrauen hoch. »Ah, sieh mal, du wirst ja rot – es ist also ein Date.«
»Na ja, nicht so richtig. Ich treffe mich nur … mit einem Kunden von mir. Ein Freund von ihm hat die Fotoausstellung organisiert. Wahrscheinlich bleibe ich ohnehin nur eine halbe Stunde, um meinen guten Willen zu zeigen. Du weißt doch, wie das bei solchen Veranstaltungen abläuft. Am Anfang werden einfach möglichst viele Leute hingelockt, damit der Künstler nicht so verloren dasteht.«
Juliet merkte, dass sie viel zu schnell sprach und wahrscheinlich auch errötete, doch Lorcan schien es nichts auszumachen, dass sie mit einem Mann ausging. Er nickte ihr sogar ermunternd zu. Wie Emer zuvor.
»Schön für dich«, erwiderte Lorcan. »Was soll schon falsch daran sein, neue Leute kennenzulernen? Jedenfalls haben die Jungs von der Band das immer gesagt, wenn sie im Backstage-Bereich auf die Suche nach neuen Leuten gegangen sind.«
»Vermisst du es, mit der Band unterwegs zu sein, Lorcan?«, fragte Juliet in einem betont traurigen Tonfall. »Wünschst du dir manchmal, du könntest wieder Groupies auf dem Konzertgelände abschleppen? Total versaute, heiße Frauen mittleren Alters, die darum betteln, von dir benutzt zu werden?«
»Nein. Die Groupies haben mir eher Angst eingejagt«, gestand Lorcan. »Emer hat sie für mich immer mit ihrer Zackenschere in die Flucht geschlagen.« Lorcan seufzte. »Darum hatte sie bei uns auch den Spitznamen ›Hurricane Emer‹. Wenn sie in der Stadt war, hinterließ sie anschließend verbrannte Erde. Trink ja nie Cherry-Brandy-Shots
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