Liebe kommt auf sanften Pfoten
mit ihr. Wie sieht’s denn nun aus?«, fragte er und hob noch einmal die Farbdosen in die Höhe. »Kann ich die bis morgen hierlassen?«
»Gerne.«
Er stellte die Farbdosen im Flur ab und wackelte dann spielerisch mit dem Finger. »Komm heute Nacht ja nicht mit einem dicken Kopf nach Hause. Verkaterten Studenten erteile ich keinen Unterricht.«
»Ich werde nicht …«, wollte Juliet gerade protestieren, doch dann sah sie, wie Lorcan ihr zuzwinkerte. »Ich bin um zehn wieder zurück, Mum. Worüber du dir allerdings wirklich Sorgen machen solltest, ist die Möglichkeit, dass ich ein hässliches Bild kaufe, das du mir dann aufhängen musst.«
»Ich werde meinen Hammer mitbringen«, erwiderte Lorcan. »Ah.« Er entdeckte Minton, der hinter Juliet verharrte. »Sollen wir heute Abend den Tiersitter spielen?«
»Minton?«, fragte Juliet. »Möchtest du heute Abend mit Florrie das lustige Suchspiel ›Floh und Zecke‹ spielen?«
Minton drehte sich geflissentlich um und sprang aufs Sofa, wo er sich zu einer kleinen Fellkugel zusammenrollte.
»Ich deute das mal als ein Nein«, stellte Lorcan fest.
Die Longhamptoner Memorial Hall war ein unerwartet schönes Gebäude, alte Handwerkskunst, das sich inmitten grauer Betonbauten am Ende einer ebenso hässlichen grauen Fußgängerzone verbarg. Die dicken, mit Stützpfeilern versehenen Wände und die hübschen Bleiglasfenster ließen die Halle aussehen, als sei ein Tornado in Chelsea losgewirbelt und habe sie von dort hierhergefegt, mitten hinein in Longhamptons unattraktives Stadtzentrum.
Juliet war bislang erst ein Mal im Inneren der Halle gewesen, als nämlich Louise darauf bestanden hatte, dass ihre Brautjungfern vor ihrer Hochzeit einen Tanzkurs absolvierten, damit diese sie nicht auf der Tanzfläche bloßstellten. Juliet und Ben hatten eine Stunde lang kichernd Foxtrott gelernt, während der die unwirsche Lehrerin ihnen vor versammelter Mannschaft Noten gegeben hatte und sie und Ben gerade einmal zwei von zehn Punkten für Begabung bekommen hatten, dafür aber neun für ihr Bemühen.
Am Straßenrand gingen langsam die Laternen an und tauchten die Halle in einen frühabendlichen Schein. Als Juliet die Eingangsstufen hinaufging, sah sie jenen Abend auf einmal in einem rosigeren Licht. Nachdem Ben und sie erst einmal den Bogen herausgehabt hatten, war es eigentlich ganz nett gewesen. Sie hatten den Tanz schneller erlernt als die anderen Paare, da Juliet nur Ben anschauen musste, um zu wissen, was er dachte. Er hatte sie allein mit einem Zucken seiner blonden Augenbrauen über die Tanzfläche geführt, und in ihrem Blick hatte er alles über ihre geschundenen Zehen lesen können.
Mark dagegen wirkte wie ein überaus erfahrener Mann, der richtig tanzen konnte. Jede Wette, dass er eine schwarze Krawatte in seinem Kleiderschrank hatte, die er für noble Charity-Veranstaltungen herausholte, dachte Juliet. Sie sah ihn vor sich, wie er mit einem selbstbewussten Lächeln über die Tanzfläche wirbelte und es seiner Tanzpartnerin sehr leicht machte. Garantiert tanzte er mit jeder Frau und wusste bestimmt auch immer das Richtige zu sagen …
Juliet holte tief Luft, um den Schmetterlingsschwarm niederzukämpfen, der in ihr emporflatterte, und haderte mit ihren Erinnerungen.
Hierbei geht es nicht darum, sich einen anderen Mann zu angeln, ermahnte sich Juliet. Das ist nichts anderes als ein Probelauf. Mit einem gut aussehenden, intelligenten Typen, der einen interessanten Job hat, viele Bücher besitzt und nett zu seinem Hund ist. Das reicht für den Anfang.
Schade war nur, dass sie ihn an einem Ort traf, der mit so vielen Erinnerungen verknüpft war. Andererseits gab es in Longhampton wohl kaum eine Ecke, der nicht irgendein Spinnennetz von Bens und ihrer gemeinsamen Vergangenheit anhaftete. Entweder würde sie lernen, damit zu leben, oder sie könnte von nun an andere Leute nur noch online treffen.
Juliet straffte die Schultern und machte sich auf den Weg zur Eingangstür, neben der eine Staffelei mit einem großen Poster stand, auf dem ein großer Baum mit drei Hunden und einem Schaf darunter zu sehen war.
E in J ahr in L onghampton
von A dam P erkins
»Hallo! Tut mir leid, dass ich zu spät bin!«
Juliet wirbelte auf dem Absatz herum und sah, wie Mark hinter ihr die Stufen heraufgeeilt kam.
Ihr schien sich der Magen umzudrehen: Er trug ein steingraues Leinenjackett über einem weißen Hemd, eine marineblaue Hose sowie einen blau karierten Schal und sah wirklich
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