Liebe kommt auf sanften Pfoten
überstanden«, erklärte sie. »Mum hat mich gezwungen zu essen und mich beinahe nach draußen geprügelt. Du hast den ganzen Papierkram erledigt und dich um den Garten gekümmert. Aber ich werde klarkommen. Und auch Louise wird ohne euch zurechtkommen. Ihr habt uns dazu erzogen, uns unseren Problemen zu stellen. Jetzt wird es Zeit, dass ihr, du und Mum, an erster Stelle steht.«
»Juliet …«
»Ich bin noch nicht fertig.« Sie schluckte. »Und wenn ihr euch dort in die Gegend verliebt, dann bleibt dort. Erlebt dieses Abenteuer! Wegen uns müsst ihr nicht zurückkommen. Jetzt ist eure Zeit gekommen. Und ihr habt es euch wirklich verdient.«
Sie blickte auf und sah, dass die hellblauen Augen ihres Vaters feucht glänzten und er Mühe hatte, nicht in Tränen auszubrechen.
»Das ist die Eiseskälte«, stammelte er. »Da laufen mir immer gleich die Tränen.«
»Daddy, nicht weinen«, rief Juliet und schlang die Arme um seinen Hals. Sie standen vor dem Park und umarmten sich so lange, bis Juliet spürte, wie Schneeflocken auf ihr Gesicht fielen.
29
D ie trüben Tage zwischen Weihnachten und Neujahr waren schon immer die Zeit gewesen, die Juliet am allerwenigsten mochte. Und dieses Jahr schien sich jeder Tag doppelt so lang und zäh dahinzuziehen.
Während jener Tage gab es auch nicht die sonst so tröstlichen Wochentagssendungen im Fernsehen, sondern nur ein endloses Dahingeplätscher von Harry-Potter -Filmen, die zu einem hexenmeisterlichen Brei verschwammen, der nur von der gelegentlichen Frage nach der Uhrzeit unterbrochen wurde. Auch das Wetter war nicht besser, weder wurde es wärmer, noch schneite es noch einmal. Es kam Juliet wie ein tagelang andauernder Sonntagnachmittag vor, an dessen Ende Neujahr lauerte – und darauf freute sie sich nicht sonderlich.
Silvester war immer Bens und ihr besonderer Abend gewesen. Weihnachten hatten sie längst nicht so ausschweifend gefeiert wie Silvester. Schon zu ihrer Teenagerzeit war Silvester immer die Nacht gewesen, auf die jeder hingefiebert hatte. Während der Neujahrsansprache der Königin verabredete man sich heimlich am Telefon und kaufte vorher glitzernde Partyoutfits im Schlussverkauf. Selbst nachdem ihre Freunde zum Studieren oder wegen Jobs in andere Städte gezogen waren, traf sich die alte Gang ein paar Jahre lang noch immer im Stadtzentrum und zog durch die gleichen Pubs und Bars. Um Mitternacht ging man zum Konzertpavillon im Park, um sich dort das feierliche Glockenläuten anzuhören.
Seit ihrer Hochzeit hatten sich Ben und Juliet Silvester als »ihren Tag« bewahrt; als Belohnung für das weihnachtliche Pendeln zwischen seinen Eltern, ihren Eltern und diversen anderen Verwandten und gesellschaftlichen Ereignissen. Juliet hatte stets etwas Besonderes gekocht, und danach hatten sie sich, dick in warme Decken eingewickelt, nach draußen gesetzt und zusammen eine Flasche Champagner getrunken. Diese hatte Ben jedes Jahr aufs Neue von einem netten Ehepaar geschenkt bekommen, das einen derart komplizierten Rasen besaß, dass nur Ben es schaffte, diesen beim Mähen mit ordentlichen Streifen zu versehen.
Dieses Jahr würde sie Silvester allein feiern müssen, das war Juliet klar. Diese Aussicht erfüllte sie gleichermaßen mit Furcht wie mit Entschlossenheit.
Louise und Peter hatten sie natürlich zum Abendessen eingeladen, doch sie lehnte, so höflich sie konnte, ab. Die beiden befanden sich gerade in einer seltsamen Phase, die mit zweiten Flitterwochen zu vergleichen war, sodass sie einander ständig geheimnisvoll zulächelten. Zwar freute sich Juliet sehr darüber, doch wollte sie als Außenstehende nur ungern daran teilhaben. Einzig und allein wäre sie nach nebenan gegangen, ganz gleich welche chaotische und aus dem Ruder laufende, feucht-fröhliche Silvesterparty die Kellys auch gefeiert hätten. Doch die Kellys waren immer noch unterwegs, wie der widerwillige Smokey in ihrer Küche jeden Abend bewies.
Die Tiere ihrer Kunden waren das Einzige, was Juliet die trüben, eintönigen Tage bis Silvester überstehen ließ. Mit Minton, Hector, Coco und ein paar anderen Stammkunden, die zeitweilig wegen allergischer Verwandter aus dem Haus verbannt worden waren, stapfte sie auf den Parkwegen durch den Schneematsch. Die Tiere freuten sich immer, sie zu sehen, und jagten im Park leidenschaftlich den Bällen hinterher, die Juliet ihnen warf.
Juliet ließ alle drei nachmittags auf ihrem Sofa ein Nickerchen machen. Wenn sie währenddessen aufwachte, ein wenig
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