Liebe kommt auf sanften Pfoten
könnte das Schmerzensgeld eigentlich sogar ganz gut brauchen, um damit ein neues Badezimmer zu finanzieren.«
Entsetzt riss Diane die Augen hinter ihrer Brille auf, und Juliet vermisste Ben zum fünften Mal an diesem Tag, dieses Mal wegen seines unglaublich schwarzen Humors. Genauer betrachtet waren sie beide sogar die Einzigen in der Familie gewesen, die überhaupt über Humor verfügten.
Es sind diese kleinen Dinge, die ich seit deinem Tod vermisse, dachte sie und kämpfte gegen die Wehmut an, die mit einem Mal über sie kam – selbst jetzt. Ich kann mich einfach nicht an Augenblicke wie diesen gewöhnen, wenn ich mich noch mieser fühle, als wenn ich allein bin, weil ich genau weiß, dass du jetzt gelacht hättest und dies einer unserer Insiderwitze geworden wäre.
Beim Gedanken an die vielen Insiderwitze, die über fünfzehn Jahre hinweg zusammengekommen und nun von einer Sekunde auf die andere verloren waren, zuckte Juliet zusammen.
»Hat es im Einkaufszentrum Überfälle gegeben?«, fragte Diane entsetzt.
»Nein, Mum, da ist alles total sicher.« Juliet hätte sich ohrfeigen können: Dies würde nun ein weiterer Punkt auf Dianes und Louises Liste von Orten werden, die für Toby zu gefährlich waren. Dazu zählten schon das Kinderparadies, in dem irgendein Kleinkind eine Murmel verschluckt hatte, das Café an der High Street, in dem Hunde erlaubt waren, und nun auch das Einkaufszentrum.
Anstatt sich hinzulegen, drehte sich Minton unaufhörlich auf Juliets Schoß, um eine gemütliche Schlafposition zu finden. Früher hatte er Gesellschaft stets geliebt, doch mittlerweile schien er Juliets Abneigung gegenüber Besuchern, die ihre Einsamkeit störten, zu teilen.
»Das arme Kerlchen.« Diane seufzte. »Schläft er immer noch an Bens …«
»Ja«, unterbrach Juliet sie schnell. »Soll ich uns eine Tasse Tee kochen?« Sie stand auf und war erleichtert, sich bewegen zu können.
Diane und Minton folgten ihr in die Küche, die immer noch weder Küchenschränke noch einen anständigen Fußboden besaß. Ganz zu schweigen von Fliesen. Ben und sie hatten sich am Tag vor seinem Tod das Hirn zermartert auf der Suche nach Ideen für ihre ideale Küche. In der Annahme, dort bald schon neue Küchenschränke aufzubauen, hatten sie unbekümmert die alte, schäbige MDF-Küchenzeile herausgerissen. An den nackten, aber immerhin verputzten Wänden hingen herausgerissene Magazinseiten, die sie mit Tesa befestigt hatten und die mittlerweile ziemlich zerknittert und zerfleddert waren.
Ohne hinzuschauen, wusste Juliet, dass ihre Mutter das Chaos um sie herum musterte und die losen Kabel und scharfen Kanten kritisch beäugte. Juliets Schwester Louise war ein paarmal mit Toby, ihrem Sohn, hier gewesen, hatte aber streng darauf geachtet, dass Toby zu seiner eigenen Sicherheit schön im Wohnzimmer oder in seinem Buggy angeschnallt blieb.
»Ich könnte deinen Dad bitten herzukommen, damit er sich um den Putz kümmert«, schlug Diane vor, als sei ihr das Problem erst jetzt ins Auge gesprungen. »Mit Spachtelmasse kann er ganz gut umgehen.«
»Das ist wirklich nett, aber nicht nötig.« Juliet zog den Stecker des Toasters aus dem Netzadapter und schloss stattdessen nun den Wasserkocher an den Strom an. Eric, ihr Vater, schaute bereits einmal pro Woche vorbei, um für sie den Garten zu machen. Das war okay; es war schon ein Running Gag in der Familie, dass Juliet das krasse Gegenteil eines grünen Daumens besaß, und außerdem kümmerte sich Eric gern um die Gartenarbeit. Er behauptete, es nicht mit ansehen zu können, wie die viele Arbeit, die Ben in den Garten gesteckt hatte, vom Unkraut zunichtegemacht wurde. Insgeheim vermutete Juliet jedoch, dass er verhindern wollte, dass sie mit scharfen Werkzeugen hantierte. Seit Bens Tod war sie so sehr neben der Spur, dass sie sich beim Rasenmähen wahrscheinlich einen Fuß abtrennen würde.
Die Renovierungsarbeiten waren jedoch etwas völlig anderes, und sie wehrte sich strikt gegen jede Einmischung ihrer Familie – ganz gleich, wie gut es alle mit ihr meinten. Sie und Ben hatten große Pläne für die Küche gehabt; sie sollte das Herzstück ihres ersten richtigen eigenen Hauses werden. Sie hatten einen Original-Aga-Ofen kaufen wollen (cremefarben, gebraucht, aber gut in Schuss), auf dem ein Wasserkessel pfeifen und sich vorn eine Stange zum Trocknen von Geschirrtüchern befinden sollte. Minton hätte sich im Winter gemütlich davor zusammenrollen können, und sie selbst hätte auf dem
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