Liebe lieber lebenslänglich: Roman (German Edition)

! Du hast meine Beziehung mit deinem Vater ruiniert. Du hast …«
    »Was? Was habe ich getan?«
    »Ich war achtzehn! Ich wollte kein Kind. Ich wollte mit ihm zusammen sein!«
    »Aber …«
    »Und dann … und dann …« Sie krümmt sich und schluchzt. »Und dann haben wir wegen dir gestritten. Wegen DIR ! Wir hatten wegen dir Streit in der Nacht, bevor er starb, und ich habe mich am nächsten Morgen nicht von ihm verabschiedet. Ich habe mich nicht verabschiedet.«
    Sie kauert sich auf den Boden.
    »Warum?«, frage ich und mache einen Schritt von ihr weg.
    »Er hat mir gesagt, dass er sich mit dir für diese Superstarsendung bewerben möchte, die im Fernsehen läuft, mit dem Song, den ihr zusammen in Rom aufgeführt habt. Und ich war dagegen, denn dann wäre es nur noch um euch zwei gegangen. Ich war eifersüchtig. Ich war auf euch beide eifersüchtig!«
    Sie schluchzt wie ein verlassenes Kind, aber ich gehe nicht zu ihr. Ich gehe in Dads Arbeitszimmer und ziehe die Jalousien hoch. Der aufwirbelnde Staub bringt mich zum Husten. Ich fange in einer Zimmerecke an und arbeite mich systematisch durch, nach dem verschollenen Kapitel suchend. Ich sehe alles durch, bis ich es gefunden habe, und als ich den Raum verlasse, ist Mum verschwunden. Ich rufe nicht nach ihr. Ich gehe einfach.

76
    Ich bin schon den ganzen Abend auf Wendys Beobachtungsposten und spioniere. Oben bei Anton brennt noch Licht. Es ist jetzt Mitternacht, und ich weiß, dass er allein ist. Ich habe gesehen, dass die Letzten den Pub verlassen haben. Ich habe beobachtet, wie Anton allen Gute Nacht gewünscht und hinter ihnen abgeschlossen hat. Er wirkte geschafft, fast geschlagen. Ich weiß, dass Freddie heute Abend bei Wendy ist – ich denke, heute ist ihr Abend. Heute ist auch mein Abend, allerdings auf eine andere Art. Eine ganz andere Art. Ich schnappe mir das Tagebuch meines Vaters und drücke es an meine Brust, dann schalte ich das Licht aus und verlasse meine Wohnung.
    Ich husche über die Straße und drücke auf die Klingel. Ich frage mich, ob er reagiert. Vielleicht hält er mich für einen Betrunkenen, der versucht, einen letzten Whisky zu erbetteln.
    »Hallo?«
    »Anton, hier ist Grace.«
    »Grace.«
    »Hm.«
    »Alles klar bei dir?«
    »Ja. Ich habe mich gefragt, ob du immer noch eine Ersatzsängerin brauchst für das ESDS -Finale morgen.«
    »Wie bitte?«
    »Wenn du noch jemanden brauchst, der dich morgen begleitet, dann werde ich mit dir singen, Anton. Tut mir leid, dass das jetzt auf den letzten Drücker kommt, aber es sind ein paar Dinge passiert, und ich wollte nur …«
    Ich quatsche immer noch in die Sprechanlage, aber Anton ist inzwischen runter in die Kneipe gegangen. Ich kann ihn durch das Fenster sehen. Jetzt schließt er die Tür auf.
    »Komm rein«, sagt er.
    »Danke.«
    Anton schließt wieder ab. Ich beobachte seine Arme und seinen Rücken, und ich habe das Bedürfnis, in ihn hineinzukriechen. Am liebsten würde ich für immer dort bleiben, aber natürlich halte ich mich zurück. Ich umklammere Dads Tagebuch, bis Anton sich umdreht.
    »Bist du dir sicher?«, fragt er schließlich.
    »Ja.«
    »Du bist dir sicher, dass du dir sicher bist?«
    »Ja.«
    »Warum so plötzlich?«
    »Ich … äh … ich vermute, dass mir eben erst bewusst geworden ist, dass ich alles falsch verstanden habe.«
    »Ich kann dir nicht folgen, Grace.«
    Natürlich kann er mir nicht folgen. Meine Worte ergeben keinen Sinn. Verständlich, dass er einen verwirrten Eindruck macht.
    »Ich habe das hier gefunden«, sage ich und gebe ihm das Tagebuch. »Lies es. Bitte, lies es.«
    Anton nimmt das Buch an sich, knipst eine Stehlampe an und setzt sich auf das Sofa neben dem Kamin. Ich beobachte ihn, während er die Worte meines Vaters liest.

    Prolog
    Dieses Buch handelt davon, dass Sie Ihre Träume verwirklichen können, indem Sie diese in machbare Stücke aufteilen. Es ist ein Buch darüber, wie man sich das Leben schnitzt, von dem man immer geträumt hat. Es handelt davon, ein erstaunliches Leben zu führen. Aber bevor wir beginnen, unseren Fünfjahresplan zu entwickeln und uns über die Voraussetzungen unterhalten, die wir für dessen Umsetzung benötigen, müssen wir das Allerwichtigste berücksichtigen: die Wahl Ihres Traums. Wie wählen Sie Ihren Traum? Ich persönlich habe das Glück, dass ich meinen Beruf liebe. Als ich mit meinem ersten Fünfjahresplan anfing, lautete das große Ziel, gemeinsam mit meiner Frau die Weltmeisterschaft in den Standardtänzen zu