Liebe lieber lebenslänglich: Roman (German Edition)
dachte, wir versuchen es einfach mal auf gut Glück«, flöte ich, als wäre er dämlich.
»Vielleicht haben Sie sich in der Uhrzeit geirrt.«
Seht ihr! Seht ihr, wie nervig der Typ ist?
Ich höre Geräusche hinter der Tür. Gott sei Dank. Es wäre wirklich peinlich, wenn uns keiner aufmachen würde. Ich spitze die Ohren. Ich glaube, ich höre jemanden schniefen und wimmern. Oje, ich hoffe, Claire hat sich nicht erkältet. Ich habe keine Lust, mich anzustecken und meine geschwollene Nase auch noch schnäuzen zu müssen. Autsch.
Schließlich wird die Tür einen kleinen Spalt geöffnet.
»Hallo?«, sage ich.
Es folgt nicht sofort eine Antwort, nur ein weiteres Schniefen. Schließlich erscheint Claire in dem Spalt, aber sie sieht furchtbar aus. Sie hat nichts mehr von dem ehemals unbekümmerten Model von vor fünf Jahren mit dem schönen Mann, das ich in Erinnerung hatte. Tatsächlich hat sie große Ähnlichkeit mit dem Baby, das sie an der Schulter trägt. Beide haben rote, verschwollene Gesichter und verheulte Augen. Ich mit meinem zerschundenen Gesicht und Claire mit ihren Tränen … Wir sind nicht gerade ein gutes Aushängeschild für diese Gegend.
»O Claire, meine Liebe. Sollen wir lieber an einem anderen Tag wiederkommen?«
Sie schüttelt den Kopf und tritt einen Schritt zurück, um uns hereinzulassen.
»Das ist die Familie Hammond«, sage ich und zeige lächelnd auf die vier. »Und das ist John, unser Praktikant«, füge ich hinzu, ohne ihn anzusehen.
Wir stehen in der Diele. Sämtliche Türen, die davon abgehen, sind geschlossen. »Sind Sie sicher, dass ich die Leute herumführen soll?«, raune ich Claire zu.
Claire nickt, sagt aber kein Wort. Zumindest glaube ich nicht, dass der schluchzende, hicksende Laut, der ihr entweicht, ein Wort ist.
Posh Boy sieht mich an, als wäre ich die unsensibelste Maklerin, die er jemals gesehen hat, und vielleicht bin ich das auch. Claire klang in der Tat ein wenig abgespannt am Telefon, aber ich hatte angenommen, das sei normal für eine Mutter von drei kleinen Kindern.
Tja, nun sind wir hier. Ich öffne die Tür, die ins Wohnzimmer führt, wie ich weiß. Seltsam, dass ich mir die Grundrisse aller Immobilien, die ich vermittelt habe, merken kann.
»Das ist ein wunderschöner Raum«, sage ich selbstsicher und gehe hinein.
Aber sofort bleibe ich wie angewurzelt stehen. Der Anblick, der sich mir bietet, ist unbeschreiblich. Der einst wunderschöne Raum gleicht einem Saustall. Und ich habe wirklich eine hohe Schmerzgrenze. Wenn ich also einen Raum als »Saustall« bezeichne, muss es wirklich schlimm sein. Die Vorhänge vor der Verandatür zum Garten sind zugezogen, sodass es praktisch dunkel ist. Auf einer fleckigen Couch sitzt ein kleines Mädchen und schaut im Fernsehen Das perfekte Dinner , während es nebenbei Käse-Locken futtert. Ich kann nicht fassen, wie sehr sich das Zimmer verändert hat. Früher war dies hier ein großer, geräumiger Wohnbereich mit einer Essecke, einer Couchecke und einer offenen Küche, nun dient der Esstisch als Wickelunterlage, und überall liegen Handtücher und Kinderklamotten. Zwei Töpfchen stehen mitten im Zimmer, bizarrerweise umringt von sechs Essstühlen. Fragt nicht. Es sieht schlimm aus, und es stinkt nach Babykacka und Feuchttüchern.
»Ich denke, wir sollten sie für heute in Ruhe lassen«, sagt Mrs. Hammond.
»Ja«, stimme ich ihr zu.
Das ist allein meine Schuld. Ich hätte nie eine Immobilie zeigen dürfen, die ich fünf Jahre lang nicht gesehen habe. In dieser Zeit kann alles Mögliche passieren – wie man hier sieht.
»Sollen wir vielleicht einen ganz kurzen Blick in den Garten werfen?«, schlage ich vor in der Hoffnung, wenigstens ein bisschen guten Eindruck von der Immobilie zu retten.
Ich hatte schon Interessenten, die für eine Wohnung nur geboten haben, weil sie sich in den Garten verliebt hatten, so groß ist die Verzweiflung der Leute, einen halben Quadratmeter Rasen in London ihr Eigen nennen zu können.
»Okay«, flüstert Mrs. Hammond.
Wir bahnen uns einen Weg durch den Hindernisparcours zu der Verandatür, und ich scanne im Vorbeigehen den Bücherschrank, wie ich das immer tue, nach einem Exemplar von Der Fünfjahresplan in der Hoffnung, einen Gleichgesinnten zu treffen. Bis jetzt war das noch nie der Fall, und heute ist keine Ausnahme. Ich fange Mrs. Hammond auf, die beinahe in einer kleinen Pipipfütze ausrutscht, dann versuche ich, den Vorhang aufzuziehen, was aber nicht geht. Er hat sich in
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