Liebe, Lust und ein süßes Geheimnis
verleugnete.
„Ich sehe dich morgen, Lily“, sagte er, löste ihre Hände von seiner Brust und trat einen Schritt zurück.
Die Verwirrung war ihr deutlich anzusehen, auch ihre Enttäuschung konnte sie nicht hinter ihrem Lächeln verbergen. Doch noch bevor sie protestieren konnte, war er bereits bei der Tür und trat in die kühle Januarnacht hinaus.
Sein Körper schien vor Verlangen zu vibrieren. So viel wusste Daniel: Diese Nacht würde quälend lang und einsam werden. Doch auf lange Sicht würde sich seine Zurückhaltung auszahlen. Um Lily zurück in sein Leben und in sein Bett zu bekommen, würde er alles tun.
Allerdings hoffte er inständig, bis dahin nicht völlig verrückt zu werden.
Während sie auf die Tür starrte, explodierten in Lily die Gefühle wie kleine Feuerwerkskörper. Sie hatte sich so danach gesehnt, dass Daniel sie wirklich küsste. Stattdessen hatte er sie nur mit seinen Berührungen gereizt, und die Enttäuschung darüber war größer, als ihr lieb war.
Sie schüttelte den Kopf und ging wieder zurück in die Küche, um die Spülmaschine einzuräumen. Es war ihr völlig schleierhaft, warum sie so mir nichts dir nichts alle guten Vorsätze über den Haufen geworfen und sich in Daniels Arme geflüchtet hatte. Gott sei Dank hatte er sich zurückgehalten. Nie wäre sie in der Lage gewesen, ihm zu widerstehen.
Aber genau das musste sie tun. Um jeden Preis. Sich zu überwinden und ihn nicht mehr zu sehen, das war das Schlimmste, was sie jemals auf sich genommen hatte. Doch das war ihre einzige Chance, sich vor dem drohenden Schmerz zu schützen, der sie packen würde, wenn Daniel erfuhr, dass sie ein Kind von ihm erwartete und er gehen würde. Ihrer beider Erwartungen an das Leben waren völlig verschieden. Deshalb musste sie ihre Gefühle schützen, bevor sie vollkommen ihr Herz an Daniel verlor.
Allerdings erklärte das immer noch nicht, warum sie es schon wieder verpasst hatte, ihm zu sagen, dass sie ein Baby erwartete. Der Moment, als er sich über ihren großen Appetit gewundert hatte, wäre genau der richtige gewesen. Sie hätte ihm sagen können, warum sie im Moment größere Mengen vertilgte und mit der Zeit definitiv zunehmen würde.
Wahrscheinlich waren die Schwangerschaftshormone für dieses große Durcheinander ihrer Gefühle verantwortlich.
Aber sie traute es sich einfach nicht, Daniel zu sagen, dass er Vater wurde. Denn sie hatte keine Zweifel daran, dass er sich auf der Stelle umdrehen und sie für immer verlassen würde. Und dann wäre alles zwischen ihnen für immer vorbei.
Seufzend startete Lily die Spülmaschine und ging danach ins Wohnzimmer. Eigentlich hätte sie an dem neuen Kinderbuch weiterarbeiten müssen, für das sie die Illustrationen entwarf. Doch seit sie die Nachricht erhalten hatte, dass ihr Vater sich in seinem Büro des TKG erschossen hatte, konnte sie sich kaum konzentrieren.
Noch immer wollte es ihr nicht in den Kopf, dass die tragischen Ereignisse erst ein paar Tage her waren. Und das, was sie während der Testamentsverlesung erfahren hatte, war ein großer Schock für sie.
Als sie wieder an die Lebenslüge ihres Vaters denken musste, fielen ihr plötzlich die Briefe ein, die Mr Parsons an sie und ihre Geschwister verteilt hatte. Nachdem sie Daniel in die Arme gelaufen war, hatte sie ihren Brief völlig vergessen.
Lily starrte auf ihre Handtasche, die am Kopfende des Tisches lag. Als sie beschloss, den Brief zu lesen, begannen ihre Hände zu zittern. War sie schon bereit für die Abschiedsworte ihres Vaters? Lily zweifelte daran. Aber würde sie jemals die Kraft dafür besitzen?
Nachdem sie den Brief aus der Tasche genommen hatte, saß sie einen Moment lang da und starrte auf den Umschlag, auf dem in der Handschrift ihres Vaters ihr Name geschrieben stand. Konnte sie ihm denn überhaupt noch glauben, nach all dem, was sie in den letzten Tagen erfahren hatte?
Um es herauszufinden, blieb ihr nichts anderes übrig, als den Brief zu lesen. Sie holte tief Luft, öffnete den Umschlag und zog das Blatt Papier heraus. Als sie das Datum las, schluchzte sie auf. Er hatte den Brief kurz vor seinem Tod geschrieben.
Meine liebste Lily,
eine meiner schönsten Erinnerungen an Dich ist, dass Du als kleines Mädchen in mir immer einen Ritter in glänzender Rüstung gesehen hast. Ganz egal, ob es darum ging, das Monster unter Deinem Bett zu vertreiben, den Schmerz von Deinem angestoßenen Ellbogen wegzupusten oder kurz vor dem College mit Dir über Deine
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