Liebe macht blind - manche bleiben es
Tochter wegen ihrer üppig blühenden Akne gar nimmer aus dem Haus gehen mag und ihre Freizeit depressiv hinter herabgelassenen Rollos verbringt, klopft ihr die Mama aufmunternd auf die Hängeschultern und sagt heiter: „Aber Kind, da schlägt die Pubertät aus! Das sind nur die Hormone!“ Oft werden diese Trostsätze noch mit Hinweisen wie „Sei froh, dass du so ausschaust“ oder „Auf die Schönheit kommt es im Leben nicht an“ abgerundet. Und dann kommen sich die Mütter ungeliebt und bös behandelt vor, weil „das Kind“ den Zuspruch nicht annimmt, sondern – je nach Temperament – noch vergrämter oder wütender wird.
Dabei wäre die Sache doch einfach! Die Mütter müssten sich nur an ihre eigene Jugend zurückerinnern. Und an ihre eigenen Mütter! Jede Mutter war schließlich einmal eine Tochter, die es nicht gern hörte, „Babyspeck“ zu haben oder das „Naserl vom Opa“. Ein klein wenig von der Verzweiflung, dieserart getröstet zu werden, müsste doch jeder Mutter noch in Erinnerung sein.
Von allen Fehlern, die wir bei der Behandlung unserer geliebten Kinder begehen, sollten eigentlich die am leichtesten zu vermeiden sein, die an uns selbst begangen wurden.
Und wir wissen doch: Gegen Hüftspeck hilft Diät, gegen Akne hilft der Hautarzt, und zu große Nasen brauchen ein Spezial-Make-up und eine günstige Frisur.
Und sollte es manchen Müttern zu mühsam sein, dieserart Hilfeleistungen zu geben, dann mögen sie doch wenigstens den Mund halten; das Wissen, von der Mama für „schön“ gehalten zu werden, hat noch keiner Tochter geholfen.
Unvernünftiges Gleichheitsprinzip
In vielen Familien herrscht ein geradezu rabiater Gerechtigkeitssinn, der darin seinen Ausdruck findet, dass jedes Kind „das Gleiche“ zu bekommen hat.
Bekommt also der Hansi von der Mama Geld, um sich die heißbegehrte Schallplatte zu kaufen, bekommen auch die Evi und der Xandi den gleichen Geldbetrag, obwohl sie im Moment keine Schallplatte wollen und überhaupt nicht „heiß“ begehren.
Mütter, die von diesem „Gleichheitsprinzip“ durchdrungen sind, habe ich – zum Beispiel – schon sagen hören: „Mein Sohn tät’ einen neuen Anorak brauchen, aber dann müsste ich auch den beiden Töchtern einen kaufen, und so viel Geld habe ich im Moment nicht!“
Auf den ersten Blick erscheint diese familiäre Verteilungsart ja gerecht und vernünftig, denn keines der Kinder kann sich benachteiligt vorkommen.
Letztlich führt sie aber doch auch dazu, dass die Kinder gar nicht mehr darauf achten, was sie selbst gern hätten und brauchen würden, sondern nur darauf, was die Geschwister kriegen und ob auch alles „gerecht und gleich“ verteilt wird.
Und da Eltern nie hundertprozentig „gleich und gerecht“ verteilen können, finden die Kinder dann irgendwo und irgendwann immer einen Grund zur Klage.
So habe ich schon gehört, dass sich ein halbwüchsiger Knabe bitter darüber beklagte, dass ihm seine Eltern die 40 Euro, die sie für seinen Bruder für den Nachhilfelehrer zahlen, vorenthalten. Und eine meiner Freundinnen spielt – trotz angegriffener Gesundheit – ernsthaft mit dem Gedanken, statt ihres Halbtags-jobs einen Ganztagsjob anzunehmen, weil sie vor fünf Jahren, als die Finanzen der Familie noch besser waren, ihrer großen Tochter zum 18. Geburtstag ein Auto geschenkt hat.
Nun wird die kleine Tochter aber auch bald 18 Jahre alt und findet, dass ihr nach dem „gerechten Gleichheitsprinzip“ ebenfalls ein Geburtstagsauto zustehe!
Und meine Freundin sieht das ein und meint: „Sonst fühlt sie sich ja weniger geliebt!“
Es muss etwas sehr schiefgelaufen sein in der Entwicklung eines Menschen, wenn Liebe und Konsumgutzuteilung so eng aneinandergekoppelt sind. Das totale „Gleichheitsprinzip“ scheint seinen guten Teil dazu beizutragen.
Mein Kind, dein Kind, unser Kind?
Der schöne Ausspruch: „Meine Kinder und deine Kinder verhauen gerade unsere Kinder“, kann in der schlichten Normalfamilie leider selten verwendet werden. Er ist eher heiteren amerikanischen Familienfilmen vorbehalten, in denen ein Witwer mit drei Kindern und eine Witwe mit drei Kindern die erstaunliche Courage aufbringen, gemeinsam noch drei Kinderchen zu produzieren.
Aber „meine Kinder“ und „deine Kinder“ hat jede Durchschnittsfamilie; bloß, dass es sich dabei um ein und dieselben Kinder handelt.
Die Mutter sagt zum Vater: „Meine Tochter hat ein Sehr gut auf die Mathe-Schularbeit bekommen!“
Eine Woche
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