Liebe macht blind - manche bleiben es
aufschlagen und im Nu etwas hineinschreiben, was die Frau Lehrerin mit vielen Sternderln belohnen wird.
Etliche Mütter haben auch Knirpse, die beim Aufgabeschreiben in Tränen ausbrechen, weil ein i-Punkt nicht exakt über dem i steht.
Das ist zwar etwas lästig, aber getröstet und aufgerichtet kann so ein Mini-Ehrgeizling doch ziemlich leicht werden.
Die Mehrzahl der Hausfrauen jedoch hat Schulanfänger, die vergessen haben, was „auf ist“, oder nach zwei geschriebenen Zeilen den Stift wegschleudern oder nach jeder zweistelligen Zahl Wasser trinken wollen oder plötzlich vorgeben, nicht zu wissen, wie viel eins und eins sein könnte. Das treibt viele Hausfrauen nun vorschnell in Panik.
Nicht nur, dass sie sich beratend und drängend zum Kind setzen, dass sie diktieren, bei anderen Müttern nach der Aufgabe anfragen, sie verfertigen auch eigenhändig die „Zierleisten“ und üben sich in Kinderschriftfälschungen, nach dem Motto: Eine Zeile die Mama, eine Zeile das Bubi! Der unerwünschte Erfolg stellt sich bald ein.
Spätestens um Weihnachten herum kommt der Taferlklassler gelassen von der Schule heim und spricht: „Mama, heute hast du zehn Sätze auf!“
Kinder, auch die, die keine Aufgaben schreiben mögen, haben es halt so an sich, in aller Unschuld die Wahrheit zu sagen.
Der Schrei nach der Mama
Mütter sind natürlich wirklich nicht dazu da, den Kindern alle Schwierigkeiten, die das Leben mit sich bringt, aus dem Weg zu räumen, aber bei den Schwierigkeiten, das Leben zu meistern, sollten sie ihren Kindern schon tatkräftig beistehen.
Sind die Kinder erwachsen geworden, lehnen sie mütterlichen Rat und Beistand in „großen Angelegenheiten“ zwar meistens ab, doch geht es um die kleinen Tücken des Alltags, schreien sie noch immer gern wie in Kinderzeiten: „Mama!“
Der Mama-Schrei ertönt, wenn man ein Kleidungsstück nicht finden kann, wenn die Tortencreme geronnen ist, wenn eine Masche von der Stricknadel gefallen ist, wenn knapp vor dem Weggehen ein Knopf abgerissen ist, wenn der Hammer statt auf den Nagel auf den Daumen geschlagen hat und wenn die Wäsche in der Waschmaschine rosa geworden ist.
Der Mama-Schrei kann auch durchs Telefon kommen, wenn die letzte Straßenbahn weg und kein Taxigeld vorhanden ist, wenn Schlüssel samt Handtasche verloren sind oder wenn im Urlaub das Geld ausgegangen ist.
Meistens können die Mamas ja auch helfen. Sie finden gesuchte Kleider schneller, können Cremes besser reparieren und Maschen hochholen und Knöpfe annähen und „Heile, heile Segen“ murmeln und Entfärber benutzen.
Sie können auch Chauffeur spielen und das Haustor aufsperren und – fluchend, aber doch – Geld an sonnige Strände schicken. Doch hin und wieder muss die Mama das erwachsene Kind auch enttäuschen! So einen Akt der Enttäuschung setzte ich eben jetzt, als meine Tochter „Mama“ brüllte und mir schreckensbleich mitteilte, dass auf dem Klo eine sechs Zentimeter lange Spinne sitze!
Abgesehen davon, dass die Spinne höchstens – samt Beinen – vier Zentimeter lang war, ist meine Spinnenangst um nichts geringer als die meiner Tochter. Es ist daher nicht einzusehen, warum gerade ich die eine der zwei erwachsenen Frauen sein soll, die das Ungeheuer wegschafft! Da ich aber eine gütige Seele im Leib habe, die auch mit erwachsenen Töchtern Mitgefühl hat, brüllte ich „Mama!“, und meine Mutter kam und entfernte das Untier.
Ob die alte Frau der Ansicht ist, sie müsse ihre mütterliche SOS-Haltung bis zum Lebensende durchhalten, oder ob sie ganz einfach keine Spinnenangst hat, weiß ich nicht.
Die vermeidbaren Leiden der Töchter
Mütter sind, bis auf rare Ausnahmen, stets der Meinung, hübsche Kinder geboren zu haben. Bei dieser Meinung bleiben sie auch – egal wie sich die Kinder leiblich entwickeln – und halten sie, rein optisch, für durchaus edle Geschöpfe. Das bringt mit sich, dass Mütter dann oft sehr rat- und hilflos reagieren, wenn der Nachwuchs mit seinem Aussehen total unzufrieden ist.
Steht die Tochter vor dem Spiegel und heult sich eins wegen der fetten Hüften und der Grübchen in den Hamsterbacken, flötet die Mama beruhigend: „Aber Kind, das ist bloß Babyspeck, der verwächst sich!“
Kriegt die Tochter Wutanfälle ob ihrer zweifach gehöckerten Nase, meint die Mutter kopfschüttelnd: „Aber Kind, was hast denn gegen dein Naserl! Dein Naserl ist doch nicht zu groß! Ganz das Naserl vom Opa hast du! Sei stolz darauf!“
Und wenn die
Weitere Kostenlose Bücher