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Liebe macht blind - manche bleiben es

Liebe macht blind - manche bleiben es

Titel: Liebe macht blind - manche bleiben es Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Nöstlinger
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Gymnasium gehen müssen. „Was tut sie ihnen denn da an? Die armen Würmer sind doch dort fehl am Platz! Warum lässt sie die Kinder nicht ein Handwerk erlernen?“
    Auch in etlichen anderen Erziehungsfragen erkennt Anna scharfsichtig, was Berta falsch macht. Und Berta ist sich über Annas sämtliche Todsünden in Erziehungsfragen völlig klar.
    Etwas überspitzt formuliert: Würde Anna Bertas Kinder betreuen und Berta Annas Kinder, wäre die Sache eigentlich geritzt. Aber wer tauscht schon die eigenen „süßen Lieblinge“ gegen die Biester der anderen?

Junges Kaufverhalten
    Zeitungsmeldungen ist zu entnehmen, dass Kinder und Jugendliche – laut Umfrage – einen enorm hohen Einfluss auf das Kaufverhalten der Eltern haben. Das heißt: Papa und Mama erwerben fast ausschließlich Dinge, die vor den Augen ihrer Kinder Gnade finden. (Nur wenn es um so langweilige Produkte wie Waschmaschinen, Bügelautomaten und Rasierapparate geht, entscheiden die Eltern allein.)
    Meine Freundin Annemarie will das nicht glauben. „Unfug“, sagt sie und schüttelt den Kopf. „So weit kommt’s noch, dass ich mir von den Kindern diktieren lasse, was mir zu gefallen hat!“ Während sie dies sagt, knetet sie Mürbteig. Auf einem Marmorbrett knetet sie den Teig.
    Da Freundin Annemarie eine Frau ist, der man nicht widersprechen soll, weil sie sonst bös wird, versuche ich das Thema zu wechseln, deute auf das Marmorbrett und sage: „Ein tolles Nudelbrett hast du. Ist das neu?“
    „Haben wir gestern gekauft“, antwortet Freundin Annemarie stolz. „Wir“, erfahre ich, waren Annemarie und ihre Tochter. Und gleich hinterher erzählt mir Freundin Annemarie, dass sie zum Kleiderkaufen immer ihren Sohn mitnimmt, weil der einen auserlesenen Geschmack in Kleiderfragen hat. Und morgen, sagt mir Freundin Annemarie zum Abschied, wird sie mit Sohn und Tochter etliche Elektrogeschäfte aufsuchen. Ein neuer Fernsehapparat muss nämlich her, und die jungen Leute, meint Freundin Annemarie einsichtig, verstehen halt von „technischen Daten“ viel mehr als unsereiner. Ich aber kann mich eines milden Lächelns nicht enthalten und sage zu ihr: „Na siehst? Deine Kinder haben also doch einen gewaltigen Einfluss auf dein Kaufverhalten.“
    „Nie im Leben!“, ruft Freundin Annemarie empört. „Wir haben bloß den gleichen Geschmack.“ Und fügt dann noch hinzu: „Weil ich eben trotz meines fortgeschrittenen Alters ein sehr moderner Mensch geblieben bin.“
    Womit wir „am Punkt“ sind! Wir leben in einer Zeit, in der Jungsein „in“ ist. Wer nicht zum sprichwörtlichen alten Eisen gehören will – und wer mag das schon? –, hat Jugendlichkeit zu demonstrieren. Er muss sich also bemühen, das Verhalten von Jugendlichen zu imitieren. Wie ein Jugendlicher zu denken oder zu fühlen, gelingt einem durch und durch erwachsenen Menschen kaum. Seine Freizeit wie ein Jugendlicher zu gestalten, ist ihm ebenfalls zuwider. In Discos herumzusitzen oder vor einem Videospiel zu hocken, steht einem Erwachsenen nicht gut zu Gesicht. Und sich einer „ersten Liebe“ hinzugeben, ist ihm völlig unmöglich.
    Was bleibt also? Man kann das Kaufverhalten der nachfolgenden Generation imitieren. Und das tut der erwachsene Mensch – laut Statistik – reichlich.
    Es ist ja nicht schlimm, wenn sich Freundin Annemarie ein Nudelbrett zulegt, das der Tochter gefällt. Schlimm wird es erst, wenn die Werbung das alles verarbeiten wird. Werden dann im TV knackige Frischwärts-Typen die allerneueste Rheumasalbe anpreisen?

Eine Zeile die Mama, eine Zeile das Bubi
    Hausübungen zu erledigen, ist für die meisten Schulanfänger eine lästige Sache. Und die Ansichten über das Maß an Richtigkeit, Vollständigkeit und Gefälligkeit dieser Arbeitsleistung sind in Taferlklasslerkreisen auch sehr verschieden.
    Für berufstätige Mütter wird dieses Problem nicht zu einem enorm gravierenden. Natürlich schimpfen sie, wenn sie schlampige Hausübungshefte sehen, natürlich reden sie dem Kind gut zu, die Sache ernster und aufmerksamer zu tun, aber verantwortlich für die Taferlklasslerhefte fühlen sie sich nicht. Anders geht es in der Regel der Hausfrau. Sie neigt dazu, des Kindes Hausübungen in ihren Verantwortungsbereich einzubeziehen, und will sie genauso sauber und adrett erledigt wissen wie alle andere anfallende Arbeit.
    Manche Hausfrauen haben ja nur reizende Kinder, die nach dem Mittagessen und einer kleinen Ruhepause brav Händchen waschen und dann ihr Hefterl

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