Liebe macht blind - manche bleiben es
Den gescholtenen Knaben kennend, musste ich widersprechen. Der hat nämlich eine Menge Ehrgeiz. Stundenlang sah ich das gute Kind mit schweinsrosa Bubble-Gum trainieren, auf dass seine Bubble-Gum-Blase die größte der Klasse werde.
Tagelang plagte sich der arme Kerl mit Zunge und Fingerchen ab, bis er endlich den Qualitätspfiff ausstoßen konnte, der sämtliche Freunde vor Neid erblassen ließ. Und wochenlang durchstrampelte er schnaufend und in Rückenlage das Hallenbad, um einen gewissen Toni, Feindbild seiner Volksschulzeit, um Längen zu schlagen.
Wer also will diesem Knaben Ehrgeiz absprechen? Man kann höchstens sagen, sein Ehrgeiz richtet sich nicht auf Ziele, die seiner Mama wichtig sind. Oder: Sein Ehrgeiz klammert gewisse Gebiete aus.
Aber wer, außer einem Neurotiker, belegt schon sämtliche Möglichkeiten für Ehrgeiz mit diesem?
Einer will’s mit zähem Ehrgeiz zum Abteilungsleiter bringen und wäre schön erstaunt, hielte man ihm vor, dass er, was Kochkunst und Haushaltsführung betrifft, keinerlei Ehrgeiz entwickle. Einen frisst der Ehrgeiz auf, weil er beim Abfahrtslauf nur Dritter geworden ist, dass er aber bloß ein Dutzend englischer Vokabeln parat hat, lässt ihn kalt.
Dieser „Ehrgeiz“ ist ja überhaupt ein vager Begriff geworden, der – trotz geheuchelter Hochachtung vor ihm – für die meisten Menschen hauptsächlich Negatives enthält. Oder kennen Sie jemanden, der freudig von sich sagt: „Ich bin ungeheuer ehrgeizig!“
Der Mensch will begabt sein, will Glück haben im Leben. Auch Drang nach Erkenntnis wertet er positiv. Sogar Strebsamkeit. Aber Ehrgeiz? Nein, den mag keiner haben. Und dies zu Recht. Denn Ehrgeiz gehört zu den Begierden. Und Ehrgeiz ist unsolidarisch, weil Ehrgeiz der Eifer ist, andere übertreffen zu wollen. Und Ehrgeiz – wenn man die vergangenen und heutigen Zeiten betrachtet – hat die Menschen schon oft zu sittlich sehr fragwürdigen Mitteln greifen lassen.
Der einzige Bereich, in dem Ehrgeiz meist positiv gewertet wird und geweckt werden soll, ist – siehe Anfang dieser Glosse – der schulische Bericht. Das sagt über unsere Schule allerhand aus. Für mich nicht sehr Erfreuliches.
Faxen und Flausen
Klagen über „die heutige Jugend“ hat es von denen, die gestern jung waren, schon immer gegeben. Aber früher waren es doch eher die kinderlosen Erwachsenen, aus denen sich dieser verständnislose Klagechor rekrutierte.
Heute singen in diesem Chor auch viele Eltern mit, und der Refrain des Klageliedes heißt immer wieder: „Sie haben doch alles! Nix geht ihnen ab! Es geht ihnen doch ohnedies so gut wie noch nie!“
Und dann wird alles an Konsumgütern aufgezählt, was jungen Menschen heutzutage zusteht, und dann wird die Frage aufgeworfen, warum die Jugend dennoch so unzufrieden sei, und als Erklärung für diese Unzufriedenheit folgt: Weil sie keine Ideale mehr haben! Weil sie so materialistisch eingestellt sind! Ein wenig paradox erscheint mir das schon!
Wenn Eltern unter „alles haben“ sichtlich nur die Anhäufung von Konsumgütern verstehen, müssen sie wohl selbst eine sehr materialistische Weltsicht haben. Warum beklagen sie diese dann an ihren Kindern? Und wie sollten denn überhaupt diese Ideale aussehen, damit sie den Klage-Eltern gefallen? Soweit ich es überblicke, reagieren nämlich gerade diese Eltern recht panisch, wenn ihre Kinder wagen, Ideale zu entwickeln.
Da hört man dann: „Was braucht das Mädel nächtelang darüber reden, wie man die Welt verbessern kann? Soll sich lieber ausschlafen, damit’s in der Schul’ ordentlich aufpassen kann!“
Oder: „Sozialarbeiter will er werden. Das ist doch kein Beruf für an Mann, was verdient er da schon dabei!“
Oder: „Entwicklungshelfer möcht’ ihn interessieren! Versäumt er doch glatt seine besten Jahr’ bei die Unterentwickelten!“
Oder noch simpler: „Nix wie Faxen und Flausen hat’s im Hirn, keinen Sinn für die Realität!“
Oder noch uneinsichtiger: „Dauernd engagiert er sich und reißt den Mund auf. Nix wie anecken tut er! Damit wird er net weit kommen!“
Es scheint also viel eher so, als ob große Teile der „heutigen“ Elterngeneration als „Ideal“ für ihren Nachwuchs nur die fügsame Einordnung in das Streben nach materiellen Gütern sehen und bloß vergrämt sind, dass dem Jungvolk, von Geburt an Wohlstand gewohnt, dieser kein „Ideal“ mehr ist.
3. Ein paar Minuten für die Schönheit
Reif?
Natürlich gibt es Frauen, die sich täglich
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