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Liebe macht blind - manche bleiben es

Liebe macht blind - manche bleiben es

Titel: Liebe macht blind - manche bleiben es Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Nöstlinger
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mehrmals im Vergrößerungsspiegel derart selbstkritisch betrachten, dass sie den Zustand ihrer Gesichtshaut ganz genau kennen. Aber die meisten Frauen haben Wichtigeres zu tun, als diese Kontrolle regelmäßig auszuüben. Und da kann es eines Tages passieren, dass man heiter, beschwingt, dynamisch, vital und bester Dinge eine Parfümerie betritt und eine Flasche Parfüm ersteht, und die jugendliche Verkäuferin, darauf trainiert, den Absatz zu heben, hält einem, bevor es ans Zahlen geht, einen Cremetopf hin und spricht: „Da gibt es jetzt auch ein ganz neues, wirklich wirksames Produkt für die reife Haut, gnä’ Frau!“
    Das kann dann „Gnä’ Frau“ ganz schön aus dem Gleichgewicht bringen, weil sie bis dahin ihre Haut noch immer in alter Gewohnheit als „jugendlich“ eingestuft hat. Sie könnte sich natürlich damit trösten, dass Cremes für „reife Haut“ viel teurer sind als Cremes für junge Haut und die Verkäuferin bestrebt ist, Teures an die Frau zu bringen.
    Aber „Gnä’ Frau“ sieht das meistens anders. Ein echter „Profi“, sagt sie sich, hat da ein objektives Urteil gefällt. Und das nagt an „Gnä’ Frau“. Das nagt sogar so sehr, dass sie nach dem Parfümerie-Besuch (den Cremetopf hat sie übrigens nicht gekauft) nicht mehr, wie vorgehabt, in die kleine Boutique geht, um das rosa Kleidchen zu kaufen. Vielleicht, denkt sie, trübe heimtrottend, ist rosa den „Unreifen“ vorbehalten, vielleicht sind auch meine Knie zu „reif, um unter dem kurzen Rockerl rauszuschauen, und ist der Ausschnitt zu groß für eine „reife“ Oberweite!
    Und während sie mit ihrer Parfum-Flasche so zweifelnd dahintrabt, fragt sie sich entsetzt: Wie lange, um Himmels willen, bin ich denn eigentlich schon äußerlich „reif“, ohne es selbst gemerkt zu haben? Möglicherweise hat ja deswegen auch der Friseur so komisch geschaut, als ich ihm das Frisuren-Foto in der Zeitschrift gezeigt und gesagt habe, dass ich die Haare gern so geschnitten hätte! Und es war wohl nur Höflichkeit, dass er gesagt hat, mein naturgelocktes Haar würde sich dieser Frisur widersetzen. Wahrscheinlich hat er sich gedacht: Unmöglich, dieser überreifen Dame diese jugendliche Frisur zu verpassen!
    Vielleicht hat „Gnä’ Frau“ ja Glück und trifft an der nächsten Straßenkreuzung einen alten Schulfreund, den sie seit Jahren nicht mehr gesehen hat, und der ruft verzückt: „Mein Gott, du wirst ja immer jünger, wie machst du das nur?“ Das stellt das seelische Gleichgewicht von „Gnä’ Frau“ wieder her.
    Na ja, Brille hatte der liebe Mensch zwar keine auf der Nase, und sehr kurzsichtig war er schon vor Jahren, aber immerhin ist er von Beruf Hautarzt, also als „Profi“ einer Verkäuferin weit überlegen!

Ein paar Minuten für die Schönheit
    Leute, die in Zeitschriften über Schönheitspflege schreiben, haben allesamt den Tick, zu behaupten, man brauche bloß „ein paar Minuten“, um „optimal“ auszusehen, womit, nehme ich an, „so gut als möglich“ gemeint ist. Besonders den nicht mehr ganz jungen Frauen, die in solchen Artikeln gern „reif“ genannt werden, versprechen die Verfasserinnen, dass „ein paar Minuten pro Tag genügen, um den sichtbaren Alterungsprozess aufzuhalten“.
    Abgesehen von der berechtigten Frage, warum eine fünfundvierzigjährige Frau nicht wie eine fünfundvierzigjährige Frau aussehen darf, sind diese „paar Minuten pro Tag“ eine unfromme Lüge!
    Ich habe mir aus etlichen Artikeln zusammengesucht, was die „reife Frau“ als Minimum an Körperarbeit zu leisten hat:
    Um die Brüste nicht erschlaffen zu lassen, stemmt sie Hanteln dreißig Mal zur Seite, nach oben und nach vorne. Dann massiert sie das Brustgewebe mit weicher Bürste, braust die Brüste mit kaltem Wasser und schmiert sie mit Brustcreme ein.
    Hierauf wendet sie sich den Oberschenkeln zu, an denen das Bindegewebe so leicht erschlafft, massiert sie mit einem Luffa-Handschuh, arbeitet Spezialcreme ein und macht heiße und kalte Wechselduschen.
    Nun kommt der Hals dran! Der kriegt einen Wickel mit lauwarmem Avocadoöl! Das ist gut gegen Falten.
    Um Bauchansatz zu verhindern, wird gerudert; ohne Boot, in der Luft. Fußgymnastik ist für „reife Zehen“ Pflicht! Und die Ellbogen darf man nicht vergessen. Die badet man in Öl. Sonst verraten sie das wahre Alter!
    Dann braucht’s nur mehr ein kleines Augenbad, damit die „reifen Augen“ glänzen wie einst, und nun folgt ein Häuchlein Make-up, wobei rote

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