Liebe macht blind - manche bleiben es
plötzlich mitten im Satz stockt, erschrocken starrt und dann verbal den Rückzug antritt, worauf die anderen kapieren, dass ein Toupetträger unter ihnen weilt, und stotternd beteuern, man könne Herrentoupets auch anders sehen, und Männer sollten die gleichen Rechte auf Locken haben wie Frauen.
Der Schaden ist nicht mehr gutzumachen! Der Toupetträger verlässt vorzeitig die Runde, und man murmelt betreten: „Oh, wie peinlich! Hätte ich das geahnt, kein Wort hätte ich gesagt!“
Solche Peinlichkeiten sind zu vermeiden, indem man ein prüfend Auge auf seine Gesprächspartner wirft, bevor man den Mund auftut. Dann passiert es nicht, dass man vor 100-kg-Leuten über Fresssucht, vor kleinen Männern über den Napoleon-Tick der Zwerge und vor Leuten mit S-Fehlern über „Zuzler“ redet. Doch selbst wer solch taktvolle Aufmerksamkeit trainiert hat, hat erst eine kleine Hürde genommen, denn man kann einem Menschen ja nicht ansehen, ob ihm – zum Beispiel – die Tochter durchgebrannt ist. Also redet man locker davon, dass immer die Eltern Schuld haben, wenn sich Kinder falsch entwickeln.
Oft allerdings könnte einem einer aus der Runde diskrete Hinweise geben. Aber die unterbleiben meistens, weil durchschnittlich gemeine Menschen nichts so sehr genießen wie die prickelnde Atmosphäre, die entsteht, wenn jemand harmlos im Fettnapf herumtritt und nicht ahnt, was er da wem antut.
Das merkte ich unlängst, als ich mich über die Dummheit einer Dame ausließ und mein Freund A. lüsterne Glitzeräuglein bekam, die ich mir nicht deuten konnte. Erst hinterher wurde mir der Glitzerblick klar. Da sagte er mir nämlich: „Ja, hast du denn wirklich nicht gewusst, dass der Herr zu deiner Linken mit dieser Dame verheiratet ist?“
Nein, wahrlich, das hatte ich nicht!
Diät: Jetzt schmeckt einfach alles!
Gestern am frühen Abend kam mir plötzlich der Einfall, meine Sommergarderobe durchzuprobieren, weil ich wissen wollte, welche der edel knittrigen Leinenmonturen und der nicht minder edel lappigen Seidendinger des Vorjahres meinen modischen Ansprüchen noch genügen können.
Seither geht es mir schlecht! Das sommerliche Zeug ist zwar durchaus und durchwegs noch recht reputierlich, aber ich fülle es leider allzu heftig aus.
Knappe zwei Kilo habe ich seit vorigem Sommer zugenommen, und diese zwei Kilo haben sich satanischerweise nicht artig über den ganzen Leib verteilt angesiedelt, sondern lagern unartig ausschließlich um meine Mitte herum. Schließe ich einen Rock- oder Hosenbund der vorjährigen Kleidung, fühle ich mich beengt und muss unschöne Aufwölbungen von Fett über der Taille wahrnehmen. Von einer „Fettschürze“, wie das die Mediziner nennen, kann nicht die Rede sein, aber eine „Fettwurst“ lässt sich zwischen Daumen und Zeigefinger unschön fassen.
Und meine Lieblingshose lässt sich überhaupt nur mehr schließen, wenn ich mich flach auf den Rücken lege, weil in dieser Lage der Bauch einsinkt.
Mit einer neuen Garderobe – eine Nummer größer – wäre Abhilfe zu schaffen, da dies aber eine sehr kostenintensive Lösung ist, verfiel ich gestern am frühen Abend auf die Idee, mein Körpergewicht einfach um zwei Kilo zu reduzieren.
Und seither geht es mir schlecht, denn seither habe ich etwas, was ich noch nie hatte: Hunger! Der Hunger rührt nicht daher, dass ich mir Esswaren versage, denen ich ansonsten reichlich zuspreche.
Ich bin üblicherweise überhaupt keine freudige Fresserin, und man muss mir einen Bissen dreimal andienen, bevor ich ihn lustlos konsumiere. Doch seit gestern Abend, seit ich mir „Diät“ verordnet habe, erscheint mir alles Essbare im Hause als der Gipfel der Leibesgenüsse.
Schon dreimal zuckte meine Hand nach einem reichlich alten Scherzel Nussstrudel, den ich früher nie, aber wirklich nie, als essmöglich in Betracht gezogen hätte. Sogar an einem Sack Rosinen wollte ich mich schon vergreifen, wo ich doch dafür bekannt bin, dass ich Rosinen sogar aus dem Apfelstrudel entferne und am Tellerrand lagere.
Und in der Nacht träumte ich von einem Schmalzbrot! Seit ich abnehmen will, kann ich nur noch ans Essen denken. Das ist kein Leben! Ich werde mit mir einen Kompromiss schließen und die Bundknöpfe versetzen!
Einige ehrliche Worte über den guten Geschmack unter guten Freunden
Wir haben Freunde, die Dinge für schön halten und kaufen, die uns als Gipfel an Geschmacklosigkeit erscheinen. Natürlich wollen diese Freunde, dass wir das, was sie als schön
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