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Liebe macht blind - manche bleiben es

Liebe macht blind - manche bleiben es

Titel: Liebe macht blind - manche bleiben es Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Nöstlinger
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Fußboden und mein WC diesen Standpunkt so eisern vertreten würden.

Heizkrieg im Herbst
    Das Gefühl „Mir ist kalt“ und das Gefühl „Mir ist heiß“ entsteht leider nicht bei allen Menschen unter gleichen Temperaturbedingungen.
    Im Sommer ist das eine Angelegenheit, die jeder allein mit sich und der herrschenden Wetterlage auszumachen hat. Aber nun ist schön langsam wieder die Zeit angebrochen, wo die divergenten Auffassungen darüber, was ein „wohltemperierter Raum“ ist, zum Familienproblem werden können.
    Es soll ja Familien geben, wo sich alle Familienmitglieder in Sachen Raumtemperatur einig sind. Die sind glücklich zu preisen!
    Und die Unterabteilung dieser glücklichen Familien, die, wo sich alle Familienmitglieder bei 18 Grad Celsius wohl fühlen, ist natürlich doppelt und dreifach glücklich zu preisen, wegen der minimalen Heizkosten.
    Aber in den meisten Familien, die ich kenne, bricht jeden Herbst der „Heiz-Krieg“ aus. Immer fröstelt einer vor sich hin, und einer bekommt Beklemmungen, weil eine „Affenhitze“ herrscht.
    Einer redet von Energiekrise und Gas-Strom-Koks-Kosten, und einer sagt, bevor er erfriert, isst er lieber trockenes Brot und trinkt nur mehr Wasser.
    Einer schleicht heimlich zum Thermostaten und schiebt den Regler listig gegen die 30-Grad-Grenze, einer schleicht noch listiger hinterher und drückt den Regler hämisch grinsend auf die Null-Markierung herab.
    Ich zum Beispiel, ich friere leicht. Ich heize gern und gut ein. Schöne 25 Grad sind mir recht. 26 oder 27 Grad stören mich auch nicht. Sogar für das 28-Grad-Zimmer meiner Mutter kann ich Verständnis aufbringen. „Die alte Frau ist eben schlecht durchblutet“, sage ich. „Die braucht das!“
    Für die Schweißperlen auf der Stirn meines Mannes jedoch bringe ich nicht das geringste Verständnis auf. Der soll sich doch bloß nicht so anstellen! Was hat er denn? Er kommt um vor Hitze? Lächerlich! – Und jetzt reißt er zwei Fenster auf! Er will mich in den Erfrierungstod treiben! Einwandfrei! – Was sagt er? Hitzeschlag sagt er? Blödsinn! Den gibt es doch gar nicht!
    Zur Rede gestellt, hält er dann einen Vortrag über die braven Rotchinesen, die bei 16 Grad glücklich ihrem Tagwerk nachgehen.
    Bei anderen Meinungsverschiedenheiten, die in Familien auftauchen, kann man an die Toleranz der Familienmitglieder appellieren. Beim Problem „Raumtemperatur“ ist das sinnlos.

Gewissensbisse
    Das Zusammenleben mit Personen, die ihr Hab und Gut nicht in Ordnung halten können, ist manchmal ziemlich schwer. Aber das Zusammenleben mit Personen, die das Hab und Gut der anderen Familienmitglieder in Unordnung bringen, ist noch viel schwieriger.
    Man kauft drei Tageszeitungen, geht nach Hause und freut sich schon auf die Zeitungslektüre.
    Man kommt zu Hause an, legt die Zeitungen auf den Tisch und kocht Kaffee, weil man zeitunglesend Kaffee trinken möchte.
    Man gießt den Kaffee in eine Tasse, trägt die Tasse zum Tisch – und die Zeitungen sind weg. Bloß drei den Zeitungen beigepackte Prospekte liegen dort.
    Vergrämt durchsucht man die Wohnung. Den Sportteil entdeckt man auf dem Klo, den Inseratenteil – leicht durchnässt – im Bad. Kultur, Innenpolitik und Lokales sammelt man in den diversen Zimmern ein, und das Ausland bleibt verschollen.
    Man trägt das Wiedergefundene zum Tisch und sortiert es, und die Zeitspanne, die man sich zum Zeitunglesen gewährt hatte, ist um.
    Oder: Man kommt spätabends heim und ist total erschöpft und will nichts anderes, als zu Bett gehen. Aber das geht nicht, weil ein Familienmitglied sämtliche Knöpfe, die sich im Haushalt befinden, auf dem Bett in Viererreihen arrangiert hat. Auch Nähnadeln, Druckknöpfe und erstaunlich viele Garnrollen liegen auf der Bettdecke.
    Fluchend räumt man den Kram vom Bett und hofft, die schlaftrunkenen Augen mögen keine der Nähnadeln übersehen haben.
    Halbwegs erträglich wären solche zwischenmenschlichen Unarten ja noch, wenn sie von allen Familienmitgliedern aktiv gesetzt und passiv ertragen würden. Aber dem ist nicht so!
    In den meisten Familien weiß der Bruder, dass er der Schwester Ordnung nicht verletzen darf. Und die Schwester achtet des Bruders diesbezügliche Eigenheiten. Und beide zusammen wissen, dass der Papa, wenn es – zum Beispiel – um seinen Schreibtisch geht, sehr penibel ist.
    Ohne Gewissensbisse und ohne Reue werden fast ausschließlich Sachen verlegt, verstreut, vertragen oder entfernt, die die Hausfrau und Mutter

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