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Liebe macht blind - manche bleiben es

Liebe macht blind - manche bleiben es

Titel: Liebe macht blind - manche bleiben es Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Nöstlinger
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Gemütslage gut koch’ und bereit bin, anderer Leute Mist wegzuräumen. Was meinen Gefühlshaushalt irritierte und zum Sieden brachte, war dieses:
    Ich saß im Kaffeehaus, las Zeitung und achtete nicht der Gäste, die hinter mir Platz nahmen.
    Beim Sportteil angekommen, der mein Interesse nur minimal beansprucht, widmete ich einen Teil meiner Aufmerksamkeit dem Gespräch der Leute hinter mir und hörte Folgendes:
    Herr 1 (
angewidert
): „Hast die Frau vom Fritzi in letzter Zeit gesehen?“
    Herr 2 (
schaudernd
): „Brr! Schrecklich!“
    Herr 1: „So was von fett! Und schiach wie der Zins! Ungustig!“
    Herr 2: „Des Doppelkinn und der Bauch!“
    Herr 1: „Und Haar wie ein Klobesen!“
    Herr 2: „Ich glaub’, sie trinkt auch!“
    Herr 1 (
entschieden
): „A schrecklichs Weib! Ka Wunder, dass er eine andere hat!“
    Hierauf endete der Dialog in Geseufze, ich drehte mich um und besah die zwei Herren. Jeder von ihnen wog hundert Kilo. Der Fettbauch des einen war so enorm, dass er zwischen Hemdknöpfen behaart herausquoll. In beider Herren Bärte waren außer Bierschaum auch Brotkrümel und Gulaschsaft. Um die Glatzen der zwei Herren kräuselten sich fettige, ungekämmte Resthaare, und hätten sie Krawatten getragen, wären die Krawattenknöpfe garantiert von den Speckfalten ihrer Vierfachkinne verdeckt gewesen.
    Ich starrte die zwei an. Sie nahmen meinen intensiven Blick zur Kenntnis und lächelten. Da sehr fette Gesichter wenig Mimik haben, bin ich mir nicht ganz sicher, ob sie mir nicht auch zugezwinkert haben; doch fast möchte ich es annehmen.
    Schließlich standen meine zwei Herren auf und schritten bierrülpsend Richtung WC. Sie kamen an einem Spiegel vorbei, blieben stehen, beschauten sich zuversichtlich im spiegelnden Glase – der eine wischte mit dem Handrücken Schaum vom Bart, der andere fuhr sich mit allen zehn Würstelfingern durchs restliche Haupthaar –, dann marschierten sie weiter.
    Stolz, selbstbewusst und sicher!
    Ein Fettbauch, ein Vierfachkinn, ein Krümelbart, eine Struwwelglatze – solange man männlichen Geschlechts ist, spielt das anscheinend keine Rolle. Man ist ja gottlob nicht Fritzis Frau!

4. Trautes Heim

Eigentümliche Eigentumsverhältnisse
    In einer Familie, die freundlich und friedlich funktionieren soll, darf der Eigentumsbegriff der einzelnen Familienmitglieder kein allzu ausgeprägter sein. Schwestern, die die Schlüssel zu ihren Kleiderschränken an Halsketten herumtragen, Mütter, die Weinkrämpfe bekommen, wenn ihre Töchter nach ihrem Parfüm duften, und Väter, die in verbitterten Gram verfallen, weil ihre Söhne ihre Krawatten umgebunden haben, sind unleidliche Familienmitglieder.
    Aber ein bisschen „mein“ und ein bisschen „dein“ braucht ein jeder, auch das im Familienverband lebende Individuum. Und meistens sehen das die anderen Verbandsmitglieder auch anstandslos ein.
    Mir – zum Beispiel – gehören als ganz private Besitztümer: der Mistkübel, die leeren Flaschen, die alten Zeitungen und der Einkaufskorb. Mir gehören auch meine Blusen und Hosen und Röcke, mir gehört überhaupt meine gesamte Kleidung, wenn sie schmutzig ist und der Reinigung bedarf.
    Mir gehören die schmutzigen Fensterscheiben und die Schallplatten, wenn sie hüllenlos auf dem Teppich liegen. Und mir – ich bitte um Pardon für die genierliche Erwähnung – gehört das WC, ganz gleich, in welchem Zustand der Verschmutzung es auch immer sein mag.
    Überhaupt alles, was der Wartung, der Betreuung, der Pflege und der Fürsorge bedarf, ist mein Eigentum, das als solches von jedermann geachtet und respektiert wird.
    Einzige Ausnahme, und das merke ich seit nun fast zwanzig Jahren, sind meine Töchter. Die sind nämlich manchmal „meine Töchter“ und manchmal „seine Töchter“.
    Mir haben sie immer gehört, wenn sie gebrüllt und getobt haben, wenn sie Schulschwierigkeiten hatten und Unordnung machten und gegen sämtliche Regeln des kommoden Zusammenlebens verstießen.
    Meinem lieben Partner gehörten sie, wenn sie den Führerschein gleich im ersten Anlauf ergatterten, im frühkindlichen Alter hohe, geistige Leistung vollbrachten und Ansätze zu edler Charaktergrundhaltung zeigten. Dann waren die guten Geschöpfe „seine“ Kinder.
    Die guten Geschöpfe hingegen haben im Laufe der Jahre immer wieder betont, dass sie weder ihrer Mutter noch ihres Vaters Eigentum seien, sondern ausschließlich „sich selber“ gehörten!
    Schön wäre es, wenn auch mein Mistkübel, mein

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