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Liebe macht blind - manche bleiben es

Liebe macht blind - manche bleiben es

Titel: Liebe macht blind - manche bleiben es Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Nöstlinger
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aufzuzwingen, dann stopfte ich das Ding in den Flickenbinkel.
    Hierauf kaufte ich ein gutes Jahrzehnt meine Kleidung in Boutiquen und suchte von Jahr zu Jahr „bessere“ Läden auf. Mit schlechtem Gewissen! Es ist kein gutes Gefühl, für einen Blazer so viel auszugeben, wie eine Arbeiterin im Monat verdient. Ich tat diese Käufe auch nicht regelmäßig. Immer nur dann, wenn ich besonders frustriert war, wenn mir mein Leben und meine Arbeit zum Kotzen vorkamen, plumpste ich in einen Luxusladen und grapschte mir ein Luxusstück. Und besonders blöd kam ich mir vor, wenn ich merkte, dass mir das Wissen, ein Armani- oder Cerruti-Etikett im Futter zu haben, Selbstwertgefühl verschaffte.
    Seit ich meistens auf dem Land lebe, trage ich alte Sachen auf. Gestern, als ich mit meinem Mann zum Nachbarn ging, blieb er auf halbem Weg stehen, starrte und fragte: „Sag, wie schaust denn du eigentlich aus?“
    Ich weiß nicht, was er hatte! Die gelbe Hose war von Hechter, die braune Bluse von Rodier, der rote Pulli von Armani, die rosa Tennissocken von Lacoste und die grünen Trachtenschuhe vom Lanz! Vielleicht hatte er nur was dagegen, dass ich seinen Burberry übergezogen hatte. Der ist mir nämlich ein wenig zu groß, und der Saum schleift im Staub, wenn ich ihn trage.
    Aber mit der Mode, glaube ich, habe ich Frieden geschlossen.

Vom Hänger in die Schoß!
    Früher hatten sich Frauen „altersgemäß“ zu kleiden. Ich wurde noch in diese Zeit hineingeboren, habe sie die ersten Jahrzehnte meines Lebens erlitten.
    Als weibliches Baby musste man „Rosa“ tragen, höchstens mit „Weiß“ geputzt. Wohl, damit gleich auf den ersten Blick klar war, dass sich im Kinderwagerl leider kein „Stammhalter“ befand!
    Dann folgten die Jahre des „Hängers“. Kurze Passe, angekrauster Rock, meistens mit Puffärmeln und Bubikragen bestückt.
    Ab der Taferlklasse ward man in Kleider mit „Leib“ gesteckt. Der Leib reichte bis zur Taille oder auch eine Handbreit drunter oder drüber, je nachdem, ob man ins Kleid erst „reinwachsen“ musste oder bereits „drausgewachsen“ war.
    Wurde man Teenager, was Backfisch hieß, war man in einem Übergangsstadium, textilmäßig im „Niemandsland“. Was man trug, hing von den Müttern ab. Die einen ignorierten töchterliches Heranwachsen und zwangen Backfische weiter ins Leib-Kleid, auch wenn sprießende Formen den brustabnäherlosen Leib zu sprengen drohten. Andere hielten die Zeit für den Faltenrock reif. Wochentags kariert, sonntags dunkelblau. Ab Tanzschulalter, das mit 16 einsetzte, ging man nahtlos zur „Frauen-Mode“ über. Dann war erlaubt, was „die Saison“ befahl. Jährlich eine neue Rocklänge etwa, wobei die im Abstand vom Boden zum Rocksaum angegeben war! Es wurde also auf Gesamt- und Beinlänge der Frau keine Rücksicht genommen, wodurch manchen Damen der „aktuelle“ Kittel bis zur halben Wade, manchen bis zu den Knöcheln reichte. Es gab auch pro Saison eine „Linie“, symbolisiert durch Buchstaben wie A, Y, X oder T, und die Figur hatte sich dem Buchstaben anzupassen. T war: Schultern breit, drunter schmal. Y war: Breiter Oberleib, von der Taille an schmal. X war: Enge Taille, Schultern und Hüften breit. A war: Vom Hals an wie ein Stanitzl!
    War man dann um die fünfzig, musste man vom Saisonangebot lassen und „zeitlos madamig“ sein. Dann trug man statt Röcken „Schoßen“, statt Pumps „Trotteurs“, statt Pullis „englische Kostümjacken“ und Hüte, Riesenkrapfen ähnlich, die Boxhiebe abbekommen hatten. Natürlich soll man dieser geregelten Textil-Zeit nicht nachtrauern, aber eins ist wahr: Des stolzen Gefühles, das unsereiner hatte, wenn er vom „Hänger“ in den „Leib“ wechseln durfte, gehen Kinder heute verlustig.
    Keine „Schoß“ tragen zu müssen entschädigt dafür aber Jahrzehnte später bei Weitem.

Im Fettnäpfchen
    Taktlosigkeiten können absichtlich gesetzt oder ohne Arg begangen werden. Erstere mögen, wegen der kränkenden Absicht, die gemeineren sein, aber vernichtender wirken die ungewollten Taktlosigkeiten.
    Sagt man, voll Hinterhalt, mit sanft gebremstem Hohn zu jemandem, den man bisher glatzig kannte: „Ach, dir sind ja Haare gewachsen!“, wird das der Herr nicht als nett empfinden. Sitzt dieser Herr aber in einer Runde, die rätselt, welch psychischen Defekt einer haben muss, der nicht im Glanze seiner Glatze außer Haus geht, fühlt er sich sicher noch mieser.
    Ganz peinlich wird es, wenn einer aus der Runde

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