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Liebe macht blind - manche bleiben es

Liebe macht blind - manche bleiben es

Titel: Liebe macht blind - manche bleiben es Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Nöstlinger
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Köstlichkeit in die Tasse. „Ein echter Fortschritt“, sprach meine Mutter.
    Nur macht so eine Maschine halt viel Dreck. Kaffeemehl und Kaffeesud bröseln überall herum, und der Hahn tropft nach. Zum Reinigen der Maschine braucht man länger als zum Kaffeetrinken.
    Darum kaufte ich mir jetzt ein kupfernes Gefäß mit Stiel und koche darin Wasser auf und schütte Kaffeemehl hinein und lasse aufschäumen und „setzen“. Türkischer ist nämlich köstlich und im Nu fertig; auch wenn er leider kein „echter Fortschritt“ ist.

Der aufdringliche Kerl von nebenan
    Meine Tochter hat ein kombiniertes Weckuhr-Radio-Dings, das hat eine Taste obenauf, und wenn man sie drückt, posaunt eine männliche Computerstimme die Uhrzeit aus. Diese Computerstimme ertönt aber nicht nur auf Tastendruck, man kann sich auch von ihr wecken lassen.
    Und wer ein zögerlicher Aufsteher ist, kann die Stimme dazu verhalten, in Abständen von zehn Minuten neuerlich Meldung zu machen.
    Die junge Generation erfreut sich an solchen Geräten. Kommt jugendlicher Besuch, spielt er gern mit dem sprechenden Radiowecker herum und probiert alle Möglichkeiten aus, die das Ding in sich birgt, und ich fahre hinterher und nächtlich aus dem Schlafe hoch, weil im Nebenzimmer eine monotone Stimme verkündet, es sei gerade zwo Uhr siebenundvierzig.
    Mein altmodisches Herz steht dann so still, als wären nebenan Einbrecher mit Mordabsichten! Dann fällt mir ein: War ja bloß der irre Wecker! Ich schlummere wieder ein und schlafe, bis der Kerl verkündet, nun sei es schon zwo Uhr siebenundfünfzig!
    Fluchend tappe ich ins Nebenzimmer, knipse das Licht an und nehme den Störenfried zur Hand. Rot blinkt er mir „2,58“ zu. Ich drehe ihn, wende ihn, drücke probeweise etliche Tasten, drehe an etlichen Knöpfen, mein schlaftrunken Hirn sinnt, wo die Bedienungsanleitung für das irre Ding stecken könnte, aber ein schlaftrunken Hirn schafft so eine Überlegung natürlich nicht.
    Die Zeit vergeht, drei Uhr und neun Minuten ist es bereits. Aha, denke ich, da muss ich zufällig doch die rechte Taste gedrückt haben, sonst hätte der Kerl ja „drei Uhr sieben Minuten“ gesagt! Zufrieden tappe ich ins Bett zurück, aber kaum habe ich mich zurechtgelegt, ertönt nebenan Popmusik. Mit Ö3 soll ich den jungen Tag beginnen!
    Ich ziehe die Decke über den Kopf, aber die Daunen sind nicht schalldicht. Endlich fällt mir ein: Das verflixte Ding hängt ja an einem Kabel! Ich springe auf, rase ins Nebenzimmer, rufe „Jetzt hab’ ich dich!“ und kopple den Kerl von der Stromzufuhr ab.
    Ab nächstem Jahr, habe ich gelesen, wird es auch Waschmaschinen, Geschirrspüler und Tiefkühltruhen geben, die sprechen können. Mir, beim „Sprechenden Radiowecker“ beeide ich es, werden solche Dinger nie ins Haus kommen!

Taschenumwidmung
    Es gibt Familien, in denen strikte Gütertrennung herrscht. Jeder Gegenstand, der sich in der Wohnung befindet, gehört einem Familienmitglied, und jedes Familienmitglied verteidigt sein Hab und Gut gegen Benutzung durch andere.
    Und da in Familien meistens Fraktionen gebildet werden, bekommt jeder Besitzverteidiger noch Unterstützung von einem Fraktionsmitglied. Da heißt es dann: „Michi, setz dich nicht in Vatis Sessel!“ Und: „Mama, die Susi will dein Briefpapier nehmen!“
    Familien dieser Art sind jedoch eher selten. Die Normalfamilie besitzt Sessel und Briefpapier und Bürsten und Scheren, Maßbänder, Regenschirme und Einkaufsbeutel, ohne sich darüber klar zu sein, welches Familienmitglied den Besitzanspruch auf diese Dinge hat.
    Dass Parfums, Deos, Kleingeld, Briefmarken, Socken, Slips und Kugelschreiber in Normalfamilien ebenfalls ohne spezielle Nachfrage bei dem, der diese Sachen erstanden hat, benutzt werden, ist üblich.
    Aber auch in Familien mit Gemeinschaftssinn, Konsumgüter betreffend, hat jedes Mitglied ein paar Dinge, die es für sich behalten möchte.
    Gelassen schaut der Vater seit Jahren zu, wie seine Söhne und Töchter in seinen neuen und alten Hemden herumgehen, seine Krawatten um Hals, Taille oder Stirn binden und sich in seine Taschentücher schnäuzen. Und plötzlich dreht der „Alte“ durch, weil eines seiner Kinder in seinem Bademantel beim Frühstück sitzt!
    „Anal fixierter Geizhals“, murmelt das Kind, zieht den Bademantel aus, überreicht ihn dem Vater und will noch ein paar sarkastische, psychologisch gefärbte Bemerkungen anbringen, doch die bleiben ihm im Halse stecken, denn entsetzten Auges gewahrt

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