Liebe macht blind - manche bleiben es
es, dass sich eines seiner Geschwister mit seinem Lieblings-T-Shirt bekleidet hat.
„Zieh mein Leiberl aus, aber sofort!“ brüllt das Kind, und wenn es dafür nicht schon zu groß wäre, würde es heulen vor Wut, weil sich der Leiberlräuber bloß an die Stirn tippt und hurtig die Wohnung verlässt.
Am ärgsten aber sind die Umwidmungen, die Familienmitglieder vornehmen.
„Wo ist meine schwarze Tasche? Wer hat meine schwarze Tasche gesehen?“, klagt die Tochter.
Nur sehr abgeklärte Mütter helfen der Tochter dann die schwarze Tasche suchen, ohne anzumerken, dass die schwarze Tasche eigentlich und in Wirklichkeit der Mutter Tasche ist.
Bügel-Gedanken
In einem Fernseh-Interview mit Patricia Highsmith hörte ich die berühmte Schriftstellerin sagen, dass sie die Tätigkeit des Bügelns mit großem Genusse ausübe, weil sie bei dieser stur gleitenden Beschäftigung schöne und für ihr literarisches Schaffen brauchbare Gedanken fassen könne.
Potzeiderdaus!
Da kam ich mir wieder einmal kleinkariert wie ein Pepitakittel und schäbig wie ein Secondhand-Trenchcoat vor! Da sieht man eben, wie sich wirklich große Literaten von einer Person wie mir, die ihre kleine Schriftstellerei mühselig vor sich hinkurbelt, unterscheiden.
Mache ich mich ans Bügeln, betrachte ich zuerst einmal grämig den überquellenden Wäschekorb und fluche in mich hinein. Nichts literarisch Verwertbares fluche ich, sondern in etwa: „Diese irren Weiber! Müssen sie sich denn dreimal am Tag umziehen? Man könnt’ ja meinen, das wär’ die Wäscherei von einem Mädchenpensionat!“
Dann konzentrieren sich meine Gedanken ganz auf Frottee! Listig hole ich Handtücher, Waschlappen und Badetücher aus dem Wäscheberg. Diese Dinger zu bügeln, baut mich auf. Das macht nicht viel Mühe, und der Wäscheberg schrumpft rapide, und die Stöße auf dem Tisch gewinnen an Reputation!
Hierauf ziehe ich Socken aus dem Wäschehaufen. Und wieder sind meine Gedanken nur auf Socken gerichtet; Hochstimmung überflutet mich, wenn ich zu jedem Socken einen Partner finde.
Getrübt wird das Erfolgserlebnis allerdings dadurch, dass etliche Sockensohlen unschön verfärbt schillern. Grün die roten, rot die grünen, gelb die weißen. Worauf ich mir Gedanken über die Farbechtheit von Schuhleder mache und herausfinde, dass die Höhe des Schuhpreises auf diese keineswegs einen Einfluss haben kann.
Beim Bettwäschebügeln dann denke ich an meine Großmutter und ihren Wäschekasten mit den wunderschönen, gleichmäßigen, noch durch Bänder verzierten Wäschestapeln. „Sorry, Oma“, murmle ich schuldbewusst, falte die Leintücher, lasse das Eisen übers Achtfachlinnen gleiten und erzeuge einen Stapel Leintücher, dem meine Oma den Aufenthalt in ihrem Kasten entschieden verwehrt hätte.
Die Herrenhemden hebe ich mir bis ganz zum Schluss auf. Zu denen brauche ich am längsten. Vielleicht sollte ich an ihnen das Fassen von schönen literarischen Gedanken erlernen. Zutrauen würde ich mir das schon!
Aber ob mein Mann bereit ist, querplissierte Hemdbrüste anzunehmen?
Wohlstand mit Zwangscharakter
Die Familie isst. Es gibt Kalbsschnitzel in italienischer Sauce mit Nudeln. Und Parmesan zum Drüberstreuen. Und grünen Salat. Man mampft vor sich hin, die Mutter schaut in die Runde. „Schmeckt’s?“, fragt sie. (Sie fände es passend, ein gutes Essen mit guten Worten zu beloben.)
„Hmpf“, murmelt der Papa und stopft Nudeln unter den Schnurrbart. „Hmpf“, murmeln die Kinder und säbeln am Fleisch.
„Wie ich ein Kind war“, sagt die Mutter, „haben wir einmal die Woche Nudeln gehabt. Nudeln mit geriebenem Käs’ drüber. Und sonst nichts dazu!“
Die Familienmitglieder nicken wohlwollend.
„Und wie ich den Papa geheiratet hab’“, fährt die Mutter fort, „haben wir einmal die Woche Nudeln mit italienischer Sauce und Käs’ drüber gekocht!“
Die Familienmitglieder nicken wieder wohlwollend.
„Und jetzt“, sagt die Mutter klagend, „haben wir Nudeln und Käs’ und Sauce und Kalbfleisch, alles auf einmal, und ihr würdigt es überhaupt nicht!“
Der Vater sagt: „Die Sugo-Nudeln damals, die waren mein Lieblingsessen!“
Das eine Kind sagt: „Nudeln mit Käs’ sind spitze! Die hab’ ich bei der Oma gegessen!“ Das andere Kind sagt: „Und Nudeln mit Mohn und Apfelkompott erst!“
„Oder Erdäpfel mit Butter!“ Der Vater bekommt träumerische Augen.
„Aber am ganz besten ist der Nowak ihre Suppe!“, ruft das eine Kind, und
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