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Liebe macht blind - manche bleiben es

Liebe macht blind - manche bleiben es

Titel: Liebe macht blind - manche bleiben es Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Nöstlinger
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das andere erklärt: „Sie kocht Wasser mit Kümmel und schüttet das in eine Einbrenn mit Knoblauch! Schmatzofack ist das!“
    Die Mutter ringt nach Fassung, sammelt die Teller ein und putzt das, was auf den Tellern verblieben ist, in die Salatschüssel zum restlichen Salat. Der Gedanke, ein Hausschwein zu halten, liegt ihr nur aus Gründen der Wohnsituation fern.
    „Na bitte!“, sagt die Mutter, „gibt’s eben ab heute nur mehr Einbrennsuppe und Erdäpfel und Nudeln!“ Sie schreitet mit dem Tellerstapel zur Küche; vom Scheitel bis zur Patschensohle ganz Königin auf dem Weg ins Exil. Bei der Küchentür dreht sie sich um. „Erspar’ ich mir pro Jahr einen Nerz!“, ruft sie. Es klingt wie eine Drohung.
    PS: In obig – als Beispiel – zitierter Familie findet so ein Gespräch jährlich einmal statt. Am Tage danach gibt es dann Einbrennsuppe. Und am nächsten Tag ist alles wieder beim Alten und kein Nerz in Sicht.
    Wohlstand kann nämlich Zwangscharakter annehmen.

Wenn eine Kredenz die Farbe wechselt
    Manchmal wird man vom bösen Schwein geritten. Wider die glasklare Vernunft tut man etwas, wofür man sich hinterher verflucht. An meiner Kredenz wurde mir das zur Gewissheit.
    Vor Jahren habe ich sie beim Tandler für fünfzig Schilling erstanden. Sie war allerliebst altmodisch und aller-scheußlichst hundsbraun. Also nahm ich roten Lack und färbte sie. Dann las ich, dass allzu viel Rot aggressiv macht. Da meine Aggressionen, wenn ich damals in der Küche werkte, keine geringen waren, nahm ich hoffnungsfroh blaue Farbe und strich damit das liebe Kredenzerl.
    Dann verging etliche Zeit, in der mir klar wurde, dass die sanfte, blaue Kredenz mit den grünen Sesseln nicht harmonierte. Eine dicke Schicht Irisch-Moos matt brachte die Kredenz in Einklang mit den Sesseln.
    Vor ein paar Wochen nun sah ich in einem noblen Stadtgeschäft eine Kredenz, meiner aufs Haar gleich, bloß ganz ohne Lack, edel natur, und zu einem Preis, der mir das Blut in den Adern stocken ließ. Da fing mich das böse Schwein zu reiten an! Und gab keinen Frieden, bis ich zwei Dosen Abbeizmittel kaufte.
    Nach den ersten zwei Abbeizvorgängen war die Kredenz wieder blau, nach dem vierten Abschaben war sie rot, und nach dem siebenten Kratzen war sie in dem Zustand, in dem ich sie erstanden hatte. Aber dies war nicht ihr Urzustand. Vor mir hatte sie auch einem üppigen Streicher gehört, nur war der auf alle Töne des Erdigen versessen gewesen.
    Die Mengen von braunem Gatsch, die ich nun im Laufe vieler Tage und Nächte mit Hilfe von Spachteln, Messern, Glasscherben und Rasierklingen von der Kredenz schabte, sind auch annähernd nicht zu schildern. Und was ich hinterher mit Sandpapier aller Körnungen, Lauge und Bimsstein vollbrachte, soll unerwähnt bleiben.
    Nun hocke ich mit roten, brennenden Augen da. Und meine Hände schauen aus, als hätte ich Handschuhe aus Eidechsenleder an. Anscheinend bin ich gegen Abbeizmittel oder Sandpapier oder Lackstaub allergisch. Doch die Kredenz ist jetzt echt antiknatur, und ich könnte mich herrlich an ihr ergötzen, wenn da nicht das untere, linke Türl wäre!
    Das hat, wie bei alten Türln üblich, eine Füllung. Aber die ist leider nicht alt, die ist aus Faserplatte-Marmordekor. Nur, wer kann schon unter acht Lagen Lack solche Gemeinheiten erahnen?
    PS: Und jetzt greint auch noch einer aus dem Badezimmer! Wer den schönen Bimsstein so versaut hat, will der wissen. Als Hausfrau hat man wirklich keinen Dank!

Macht am Drücker
    Woran erkennt man, wer in einer Familie die mächtigste Person ist? „Das ist die Person“, sagte mir ein kleiner Knirps, „die bestimmt, wohin die Familie auf Urlaub fährt!“
    „Das ist die Person“, sagte mir ein etwas älterer Knabe, „wegen der es zweimal die Woche Blunzen gibt; obwohl sonst niemand in der Familie Blunzen mag!“
    Ein halbwüchsiges Fräulein meinte: „Das ist eindeutig die Person, die schreit: ‚Solange du deine Beine unter meinen Tisch streckst, wird getan, was ich will!’“
    „Das ist der“, sagte mir eine bleiche Hausfrau, „der das Haushaltsbuch kontrolliert!“
    „Das ist die Person“, erklärte mir ein älterer Herr, „die ein Familienmitglied tagelang mit Verachtung straft, weil es später als angekündigt heimgekommen ist!“
    Als weitere Machtpersonen wurden mir genannt: Die, die die Höhe des Taschengeldes bestimmt. Die, die andere – auch am Sonntag – ungestraft aufwecken darf. Die, die den Autoschlüssel hat. Und die, die sich

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