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Liebe macht blind - manche bleiben es

Liebe macht blind - manche bleiben es

Titel: Liebe macht blind - manche bleiben es Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Nöstlinger
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die anderen nie richtig zuhören – missverstanden wurde.
    Und weil der Normalmensch nicht auch zum Rechthaber werden will, lässt er es gütig dabei bewenden.
    Warum ein Mensch zum Rechthaber wird, ist – mir wenigstens – nicht klar. In manchen Fällen scheint sich der Trend dazu eindeutig zu vererben. Andererseits gibt es Familien mit einem rechthaberischen Mitglied, in der nichts darauf hinweist, dass das Sache der Gene sein könnte! Und an der Aufzucht kann es eigentlich auch nicht liegen. Wer drei Kinder so erzieht, dass ihnen „Da hab ich mich geirrt“ leicht über die Lippen kommt, kann nicht schuld sein, wenn der vierte Spross zum bornierten Rechthaber wird!
    Sonnenklar ist eigentlich nur, dass jeder Rechthaber – so er tatsächlich recht behält – offensichtlich in einen wahren Glückstaumel verfällt und jedermann zehnmal mitteilen muss, dass er „natürlich wieder einmal recht behalten hat“! Eigentlich direkt ein Wunder, dass es nicht schon längst – abgeschaut vom „Tapferen Schneiderlein“, breite Rechthaber-Bauchbinden gibt, mit der Aufschrift: „Heute schon siebenmal recht gehabt!“
    Auf rotem Samt mit Goldfaden (im Kreuzelstich) ließe sich das von geplagten Familienmitgliedern für den Rechthaber – als passendes Weihnachtsgeschenk – anfertigen!

Ausgerechnet jetzt?
    Freundschaften soll man hegen und pflegen; nicht nur „innige“, auch „lose“. Freundschaft ist das Beste, was der Mensch im Leben kriegen kann. Deshalb hat er für Freunde – „innige“ wie „lose“ – stets da zu sein.
    Wäre unschön, ihnen nur zur Verfügung zu stehen, wenn vorher mit Terminkalender ein Treffen ausgemacht wurde. Spontan hat man Freunde aufzunehmen, so sie es begehren.
    Da klingelt es etwa an der Haustür, man geht zur Gegensprechanlage, und eine Freundesstimme sagt: „Ich war grad in der Gegend und hab’ gedacht, ich schau’ auf einen Sprung vorbei, falls ich nicht störe!“
    Nun, unter „falls ich nicht störe“ wird üblicherweise verstanden, dass man nicht bei einer wichtigen, wesentlichen Tätigkeit unterbrechen will.
    Im Fernsehen „Ariane, Liebe am Nachmittag“ anschauen, gehört gewiss nicht zu diesen wichtigen, wesentlichen Tätigkeiten.
    Ist einfach unmöglich, einem Freund zu sagen: „Du störst! Ich schau’ grad fern“. Das kann man dem Freund nicht zumuten und sich selber auch nicht. Man ist ja kein TV-Dodel, der das reale Leben vernachlässigt, um sich einem alten Kino-Schinken hinzugeben! Dazu am Nachmittag, wenn seriöse Leute anderes zu tun haben.
    Man lässt also den Freund ins traute Heim, kredenzt ihm Kaffee und beteuert, dass er keineswegs bei irgendetwas störe.
    „Hab’ nur ferngeschaut“, sagt man, und den Verzicht, der einem im Gesicht geschrieben steht, bemerkt der Freund nicht.
    Wesentlich leichter wäre es ja, diese Situation zu verkraften, wenn der Freund nicht mehrmals sagen würde, dass er echt nur „auf einen Sprung“ da ist und gleich wieder gehen würde! Das erweckt nämlich die lüsterne Hoffnung in einem, dass man wenigstens das Happy-End zwischen dem unschuldigen Mäderl und dem abgeklärten Millionär mitkriegen könnte! Und während der Freund vom „linken Zweier unten“ berichtet, dessen Behandlung ihn in unsere Gegend führte, linst man verstohlen ins TV-Programm und auf die Uhr und gibt merkwürdige Kommentare zum „linken Zweier unten“ ab, weil die Gedanken mehr bei Frl. Hepburn und Hr. Bogart weilen. Dann erhebt sich der Freund tatsächlich, man schiebt ihn zur Tür, schaltet den Fernseher ein und erblickt nichts als ein großes END.
    Na ja, ist nicht der Weltuntergang, aber eine bittersüße Liebesgeschichte gegen eine „linker, unterer Zweier“-Geschichte eingetauscht zu haben, ist halt doch eine triste Sache, bei der man sich etwas betrogen vorkommt.

Hab’ ich euch schon erzählt …?
    Jeder hat im Schatzkästlein seiner Erinnerungen Erlebnisse, die er für erzählenswert hält, und sucht „Kundschaft“ dafür. Da aber vieler Leute Erzähllust größer als ihr Bekanntenkreis ist, passiert es, dass man einem Erzähl-Lüstling gegenübersitzt, der kriegt plötzlich, angeregt vom Wort „Kellertür“, gieriges Glitzern ins Auge und fragt: „Hab’ ich eigentlich schon erzählt, wie mich die Berger damals im Keller eingesperrt hat?“
    Natürlich hat er, nicht nur einmal, zehnmal! Jeder kennt die Keller-Story auswendig, weiß, wie Alois auf der Treppe saß, an die Tür pochte, sich heiser schrie, ohne dass Hilfe

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