Liebe macht blind - manche bleiben es
Mutter hatte dieses Verständnis nicht. Sie war dafür, Unangenehmes „hinter sich zu bringen“.
So eine Einstellung hat natürlich allerhand für sich, denn wer nicht gleich am Donnerstag zum Zahnarzt geht, muss oft am Sonntag mit wilden Schmerzen und dicker Wange den Notdienst aufsuchen.
Und wer zwischenmenschliche Aussprachen von einem Tag auf den anderen verschiebt, hat nur üble Träume und entkommt ihnen trotzdem nicht.
Aber mit Vernunftgründen kann man „Verdrängern“ nicht beikommen. Sie sind ja nicht aus Bosheit so, sie schaffen das Leben einfach nicht anders. Und gottlob leben sie oft mit Partnern, die diese Einstellung „fix und fertig“ macht, die da „nicht zuschauen“ können und dann etliches von der „langen Bank“ holen und aufarbeiten. Nur echt schade, dass sie für den Partner nicht auch zum Zahnarzt gehen können!
Mahnende Kastentür
Ich kenne einen großen, weißen Vorzimmerschrank, dessen eine Tür ist – bis zur halben Höhe – rot angemalt. Dass das kein innenarchitektonischer Gag, sondern nicht fertiggestellte Arbeit ist, sieht man am zittrig-zackigen Abschluss des roten Stückes. Seit Jahren ist dieser Schrank so. Weil in der Wohnung aber sonst nichts auf lotterhafte Einstellung zur Arbeit hinweist, fragte ich nach und erfuhr:
Die Schrankbesitzerin hatte vor Jahren Streit mit ihrem Mann. Sie warf ihm an den Kopf, was man Männern nach langer Ehe an den Kopf werfen kann – ein Teller war auch dabei –, rief dann, sie hasse den Mann, und wollte die Scheidung.
Der Mann packte ein paar lebensübliche Dinge, sagte, man möge die Scheidungsklage an die Adresse seiner Mutter senden, denn dorthin begebe er sich jetzt – und verließ die Wohnung.
Die Frau gratulierte sich zur längst fälligen Entscheidung und begann die Zukunft zu planen. Aus dieser Beschäftigung riss sie eine Verkehrsmeldung im Radio, die besagte, dass auf der A 1, nahe Ybbs, ein Verkehrsunfall passiert sei. Die Mutter, zu der sich der Mann hatte begeben wollen, wohnte in der Nähe von Ybbs. Und die Frau wusste, dass der Mann zum „Schnellfahren“ neigte. In der Zeit, die man braucht, um eine Zigarette zu rauchen, setzte sich in ihr die Meinung fest, ihr Mann sei der Unfallfahrer.
Und dann merkte sie beklommen, dass ihr der Streit mit dem Mann plötzlich unsinnig erschien und dass die Liebe zu ihm so taufrisch in ihr wogte wie am ersten Tage! Bebenden Herzens rief sie die Schwiegermutter an. Dort meldete sich niemand. Die Frau legte es dahingehend aus, dass die arme Frau bereits am Unfallorte sei. Dann rief die Frau bei der Polizei an, drückte sich aber – erregt und verzweifelt – so sonderlich aus, dass man ihr bloß sagte, sie möge in einer Stunde wieder anrufen.
Die Frau stand die Stunde, untätig sitzend, nicht durch. Sie wanderte durch die Räume, kam an einer Dose Lack samt Pinsel vorbei. Wohl wissend um das Sinnlose der Sache, öffnete sie die Dose, tauchte den Pinsel ein und strich die Schranktür. Ein Hauch von Beruhigung war in dieser Tätigkeit. Die Frau malte, bis die Wohnungstür aufging und der Mann, sanft nach Wein riechend, eintrat und sagte, er liebe sein Weib und könne sich von ihm nicht trennen!
Seither hat der Schrank die rote Tür. Als Mahnmal, sagt die Frau. Ein paarmal, sagt sie, habe sie der Anblick der Tür in allerletzter Minute daran gehindert, einen normalen Ehekrach in eine Ehe-Auflösungs-Orgie entarten zu lassen. Dafür, sagt die Frau, könne man ein hässliches Kastentürl schon aushalten!
Wir sind leider kein Naturvolk mehr
Irgendwo bei Neuseeland gibt es eine Insel, dort lebt ein – wie man so nett sagt – von der Zivilisation unentdeckter Eingeborenenstamm. Die Angehörigen dieses Stammes arbeiten, teils weil sie bescheiden sind, teils weil sie auf fruchtbarem Boden leben, nur zwei Stunden am Tag. Sie sind also, im Zivilisationsjargon unserer Breiten ausgedrückt: Freizeitmillionäre!
Freizeit, sagt man, werde in dräuender Mikroprozessoren-Zukunft unser aller gähnendes Problem sein. Da liegt doch die Frage nahe, was der arbeitskarge Eingeborenenstamm den ganzen Tag tut und ob wir uns daran kein Beispiel nehmen könnten?
Das ferne Naturvolk widmet seine Freizeit den Träumen. Nach ausgedehntem Frühstück erzählen alle, was sie geträumt haben. Dann findet „Traumarbeit“ statt. Man interpretiert die Träume und arbeitet sie auf.
Na, wär’ das was? Oder haben Sie Bedenken?
Ich habe welche! Bloß ein knappes Achtel meiner Träume – grob
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