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Liebe macht blind - manche bleiben es

Liebe macht blind - manche bleiben es

Titel: Liebe macht blind - manche bleiben es Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Nöstlinger
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Seidnett-zueinander-Gehabe.
    Ich scheue mich auch nicht, jungen, kräftigen Männern eine Tür aufzuhalten, falls die Klinke gerade in meiner Reichweite ist. Jedermann kann Feuer von mir haben, und findet ein Männerarm sein Ärmelloch nicht, helfe ich gern nach.
    Nur lehnen das leider viele Herren ab. Sie stammeln: „Aber nicht doch!“ Manche werden sogar rot. Und einer hat schon giftig zu mir gesagt: „Tattergreis bin ich noch keiner!“ Darum vergreife ich mich nur an Männern, die mich so gut kennen, dass sie meinen Freundlichkeiten keine kränkenden Absichten unterstellen.

Aktion „Streicheleinheiten“
    Gibt es in einer Ehe Schwierigkeiten, ist es üblich, dass sich der Ehepartner, der sich als der Schwächere sieht, Verbündete holt, was in der Praxis heißt, dass er in Krisenzeiten – zum Beispiel – nur Leute einlädt, von denen er weiß, dass sie halbwegs seiner Ansicht sind, was die Krise betrifft.
    Und dann, nach dem Essen, bringt er den Konflikt zur Sprache, erzählt von der Unmöglichkeit, mit dem Partner auszukommen, von den „Wahnsinnsaktionen“, die dieser Mensch setzt, und von der Sturheit, die ihm das Leben zur Hölle macht.
    So eine Situation kennen wir doch alle: Da sitzt der Ehemann und sagt: „Und gestern hat sie …“ Und die Gäste staunen: „Was? Du hast wirklich …?“ Und der Ehemann nickt, schaut seine Frau funkelnden Auges an und ruft: „Na, hast du vielleicht nicht? Streit bloß nicht ab, dass du hast …“
    Nein, die Frau kann es nicht abstreiten, sie nicht, aber sie will ihre gestrige Aktion verteidigen, will erklären, warum sie sich so verhalten hat, doch das gelingt ihr nicht, denn die Gäste fallen über sie her.
    „Also nein“, ruft einer, „so kindisch kannst doch nicht sein!“ Und ein anderer: „Wie kannst du nur?“ Und der, der eigentlich aus uralter Tradition auf ihrer Seite stehen sollte, rügt: „Ehrlich, so geht’s wirklich nicht, meine Gute!“
    Blicke der Anteilnahme treffen den Ehemann, die saugt er gierig auf, verschränkt die Arme über der Brust, bekommt den zufriedenen Gesichtsausdruck, den seine lieben Züge seit Tagen entbehren mussten; locker lehnt er sich zurück und sagt: „Na! Glaubst du wenigstens ihnen? Sie sind nämlich objektiv!“
    Ich halte jede Wette, dass die Ehefrau ihnen nicht glauben wird. Von einer ganzen Mannschaft heruntergeputzt zu werden, verstärkt nicht Einsichten, sondern den Groll. Der kann in solchen Situationen sogar so vehement werden, dass die Gerügte aufspringt, die Runde verlässt und dabei schreit: „Habts mich doch alle gern!“
    Und dann schaut der Ehemann hinter ihr her, zuckt traurig mit den Schultern und seufzt: „Na, da seht ihr’s selber! Nichts zu machen mit ihr!“
    Die Gäste sehen es und sind ergriffen. Man hat ja nicht geahnt, was der arme Kerl zu tragen hat! Von da an bis zum späten Abschied kriegt der Ehemann nur mehr verbale Streicheleinheiten. Dazu war die ganze Aktion ja auch da! Wer von seinem Partner nicht gestreichelt wird, muss sich eben woanders betreuen lassen.

Der Partner wird’s schon richten
    Mein Vater war wahrlich kein Mensch von großer und spontaner Entschlusskraft. Besonders wenn es um eher unangenehme Entscheidungen oder Arbeiten ging, war er ein großer Zauderer und Zögerer und schob alles auf die sprichwörtliche „lange Bank“. Diesen Charaktermangel versuchte er dadurch zu einer Charaktertugend zu machen, indem er immer erklärte: „So erledigt sich einfach sehr vieles von selbst!“
    Hin und wieder hatte er mit dieser Behauptung ja tatsächlich recht. Die Lateinlehrerin, die er drei Jahre lang aufsuchen wollte, um ihr mitzuteilen, dass sie eine „unfähige Pädagogin“ sei und seiner Tochter Genialität nicht zu würdigen wisse, ging eines Tages in den wohlverdienten Ruhestand, wodurch sich sein Vorhaben „von selbst“ erledigte.
    Und die Reparatur des verstopften Waschbeckens erübrigte sich, als ich es aus kindlicher Unachtsamkeit mit einer Sodawasserflasche zu Scherben schlug.
    „Na! Hätt’ ich mich vielleicht gegiftet, wenn ich das gestern repariert hätt’!“, kommentierte mein Vater diesen Vorfall.
    Seine Behauptung allerdings, es sei klug gewesen, den Stockzahn nicht plombieren zu lassen, als er sich diesen Zahn an einer Brotrinde ausbiss, erschien mir schon als Kind etwas verwegen. Aber ich hätte ihn nie darauf hingewiesen, dass ein plombierter Zahn gar nicht zerborsten wäre, denn ich hatte viel Verständnis für meines Vaters Lebensart. Meine

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