Liebe mit beschrankter Haftung
lebst?« Er zuckt mit den Schultern und sieht sich in seiner Behausung um.
»Macht mir nichts aus. Ich fühle mich wohl.« Ungläubig sehe ich ihn an. Ich kenne den Mann seit über sechzehn Jahren – genau genommen seit dem ersten Tag an der Uni, wo wir, zwei kopflose und überdrehte Erstsemester, in der Mensa zusammengeprallt sind – aber in diesem Zustand habe ich seine Wohnung noch nie gesehen.
»Wie bitte? Es sieht aus, als wäre eine Bombe eingeschlagen.«
»Dass du immer so übertreiben musst«, meint er gelassen. »Das ist genau der Grund, weshalb ich immer aufräume, wenn du kommst. Und weshalb ich darauf bestehe, dass du vorher anrufst«, setzt er hinzu und streicht sich gelassen über seinen Bauch. »Aber wenn du es hier nicht aushältst, dann musst du eben später wiederkommen, damit ich ein bisschen Ordnung schaffen kann.« Fragend sieht er mich an, aber ich schüttele den Kopf.
»Nein, ist schon gut.«
»Es ist ja auch nicht dreckig«, fügt er beruhigend hinzu. »Nur ein bisschen unordentlich.«
»Kann ich mich denn irgendwo hinsetzen?« Suchend sehe ich mich um und mein Blick bleibt an der hellbraunen Ledercouch unter dem hohen Fenster hängen, die unter einem Berg Wäsche verschwunden ist, den Daniel jetzt herunterfegt.
»Bitte sehr, Mylady.«
»Danke.« Aufatmend lasse ich mich auf das Sofa fallen und schnuppere misstrauisch. »Sag mal, was riecht denn hier so komisch?« Auch Daniel verzieht das Gesicht.
»Puh, das ist ja widerlich!«
»Idefix«, rufe ich tadelnd, weil mir der Gestank plötzlich unangenehm bekannt vorkommt, »kannst du dich nicht einmal benehmen?« Vergnügt tänzelt mein Hundchen auf mich zu. »Nein, du sollst nicht herkommen. Verzieh dich!« Ich knie mich auf die Couch, um das Fenster aufzureißen. »Sorry, Daniel, du weißt ja …«
»Na sicher weiß ich. Armes Scheidungskind!« Er krault Idefix im Vorbeigehen den Kopf. »Ich bestelle mir jetzt eine neue Pizza. Willst du auch eine?«
Eine halbe Stunde später sitzen wir uns kauend auf der Couch gegenüber, während sich Idefix, beleidigt, dass wir ihm nichts abgeben wollen, in den Flur verkrümelt hat. Ich beende gerade meinen Bericht über den Kuss vor der Kirche.
»Ich hoffe, du hast dem Kerl eine geknallt?«
»Äh, nein«, gebe ich zu.
»Du hast doch nicht allen Ernstes gedacht, dass ihn dieser Kuss eines Besseren belehren und er sich Hals über Kopf in dich verlieben würde?«
»So ein Quatsch«, sage ich viel zu schnell und senke ertappt den Blick.
»Traumtänzerin«, wirft Daniel mir an den Kopf und schnappt mir das letzte Stück Pizza vor der Nase weg.
»Ich bevorzuge den Ausdruck Romantikerin«, entgegne ich würdevoll.
»Na, ich nehme mal an, deine Phantasie hat sich nicht bewahrheitet.«
»Und warum nicht?«, mache ich einen auf beleidigt. »Bin ich etwa nicht liebenswert?«
»Schneewittchen, Mia, meine liebste Freundin!« Er fasst mir mit seinen fettigen Fingern ins Gesicht und drückt mir einen nach Salami und Käse schmeckenden Kuss auf die Lippen. »Du weißt doch, wie sehr ich dich liebe.«
»Ja, ja, schon gut«, wehre ich seine Attacke ab und wische mir die Schmierspuren vom Gesicht.
»Wenn er sich in dich verliebt hätte, dann säßest du doch jetzt nicht hier bei deinem alten Freund Daniel, sondern würdest mit ihm durch die Laken turnen.«
»Sag mal, hast du gerade gesagt, dass ich eine Schlampe bin?«, frage ich, aber er schüttelt treuherzig den Kopf.
»Mitnichten, meine Schöne. Du bist nur … sehr emotional. Dazu spontan und begeisterungsfähig. Das kann dann schon mal dazu führen, dass …«
»… ich mit jedem Kerl gleich ins Bett springe«, vollende ich seinen Satz und nicke nachdenklich.
»Aber nein, nicht mit jedem Kerl. Ich meinte nur …«
»Du hast ja Recht«, seufze ich. »Ein paarmal habe ich in meiner Begeisterung schon danebengegriffen.«
»Das ist die Untertreibung des Jahrhunderts. Wie ging es denn nun weiter mit diesem Mirko?«
»Er heißt Marko«, korrigiere ich ihn und zucke mit den Schultern. »Es ging gar nicht weiter. Er hat mir zugezwinkert und ist zurück in die Kirche gegangen. Das war’s auch schon!«
»Naja. Immerhin hat er dich von deiner Begegnung mit Timo abgelenkt«, versucht Daniel mich aufzumuntern, womit er leider das Gegenteil bewirkt.
»Ja, stimmt.« Konzentriert fummle ich an meiner Nagelhaut herum.
»Schneewittchen, schau mich mal an. Du wirst doch nicht anfangen zu heulen?«
»Natürlich nicht«, sage ich entrüstet und blinzele
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