Liebe mit beschrankter Haftung
ganz vergessen. Wie egozentrisch bin ich eigentlich, dass ich meine schwangere Freundin mitten in der Nacht aus dem Bett klingele?
»Dem geht es gut«, beruhigt sie mich. »Trink deinen Tee und erzähl mir, was passiert ist.«
Nachdem ich geendet habe, schüttelt sie schon wieder den Kopf. »Mia, Mia, Mia.«
»Das hilft wirklich überhaupt nicht.«
»Tut mir leid. Du sprichst hier aber auch definitiv mit der falschen Person. Ich kann total nachvollziehen, dass er lieber alleine schläft.«
»Das kann er doch auch. Aber wenn ich Idefix alleine zu Hause lasse, um bei ihm zu übernachten, dann ist es doch einfach eine Frechheit, sich heimlich aufs Sofa davonzuschleichen. Oder reagiere ich da über?«
»Ja, du reagierst über.« Ich schweige betreten. »Und das ist auch gar kein Wunder. Du bist bis über beide Ohren verliebt in ihn. Sieh zu, dass du da rauskommst. Und zwar schnell.«
»Das geht nicht«, sage ich zerknirscht, weil mir plötzlich klar wird, dass ich ihr das Wichtigste noch gar nicht erzählt habe. Und das muss ich auch gar nicht. Ein Blick genügt, und Kati sackt stöhnend über der Tischplatte zusammen.
Obwohl ich ihn um seinen wohlverdienten Schlaf gebracht habe, ist Paul so freundlich, mich am nächsten Morgen auf dem Weg zur Bank bei mir zu Hause vorbeizufahren. Mit verwuschelten Haaren und einem von Katis merkwürdigen, geblümten Slips unter der Jeans sitze ich neben ihm in seinem schwarzen BMW, in dessen Innerem es nach Raumerfrischer duftet.
»Herzlichen Glückwunsch«, sagt er, nachdem wir ein paar Minuten schweigend nebeneinander gesessen haben, »ich hoffe, es war in Ordnung, dass Kati es mir erzählt hat?«
»Na klar. Danke.«
»Ist ja wirklich toll, dass es so schnell geklappt hat. Jetzt werden unsere Kinder fast im selben Alter sein. Nur vier Monate voneinander entfernt.«
»Stimmt.« Ich lächele zaghaft. Auch wenn die Situation sich für mich gerade alles andere als unproblematisch darstellt, ist das tatsächlich eine tolle Sache. Nun wird es also wirklich so werden, wie Kati und ich uns das schon zu Grundschulzeiten ausgemalt haben, wenn wir mit unseren Puppenkindern spazieren gegangen sind.
»Du, Mia, kann ich dich was fragen?«
»Natürlich.«
»Aber du darfst es nicht Kati sagen.« Erschrocken sehe ich ihn an und sofort spielen sich Horrorszenarien vor meinem inneren Auge ab. Paul hat sich in seine Sekretärin verliebt und will sich mit ihr nach Argentinien absetzen. Er hat seine Vorliebe für das eigene Geschlecht entdeckt. Oder eine unheilbare Krankheit.
»Sag es mir nicht.« Ich schreie beinahe und halte mir die Ohren zu, was mir einen verblüfften Seitenblick von ihm einbringt. Seine Lippen formen Worte, die ich nicht verstehen kann. Vehement schüttele ich den Kopf. Er redet weiter auf mich ein, aber ich bin nicht gewillt, ihm zuzuhören, sondern quatsche einfach in seinen Monolog hinein: »Ich kann keine Geheimnisse vor meiner besten Freundin haben und wenn du unbedingt irgendwelche Geständnisse loswerden musst, um dein Gewissen zu erleichtern oder was weiß ich, dann such dir dafür jemand anderen, aber nicht mich.« Sein Mund bleibt mitten in der Bewegung halb offen stehen, die Augen werden kugelrund, dann redet er noch schneller auf mich ein. »Du solltest lieber auf die Straße gucken. Ich höre sowieso nichts. Lalalalala.« Schließlich gibt Paul auf und schaut resigniert nach vorne. Als wir in meine Straße einbiegen, habe ich noch immer die Handflächen rechts und links an meinen Kopf gepresst, was das Aussteigen natürlich etwas kompliziert macht. »Versprichst du, mir nichts zu beichten?« Er nickt und ich nehme erleichtert die Hände von meinen mittlerweile heißen Ohren. »Also dann, noch mal vielen …«
»Ich will Kati heiraten.«
Ich bin ein schlechter Mensch. Der Schlechteste. Und eine ganz miese Freundin. Nicht, weil ich Paul des Fremdgehens oder der Homosexualität bezichtigt habe. Das war vielleicht nicht besonders freundlich von mir, aber ich kenne ihn schließlich kaum. Da ist meine Phantasie einfach mal wieder mit mir durchgegangen. Aber wieso kann ich mich nicht mitfreuen? Was ist da los mit mir? Es ist mir nicht einmal gelungen, überzeugend Begeisterung zu heucheln, als mir Paul den traumhaften Diamantring unter die Nase gehalten hat. Womit ich ihn, glaube ich, irgendwie entmutigt habe.
»Du hast Recht, wahrscheinlich ist das keine richtig gute Idee«, hat er gesagt und das Schmuckkästchen zuschnappen lassen. »Wahrscheinlich findet sie
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