Liebe mit beschrankter Haftung
Heiraten total spießig. Ich warte lieber noch ein Weilchen.« Vielleicht hat er damit sogar Recht. Aber das ist auch gar nicht der Punkt. Ich sollte mich darüber freuen, dass Kati diesen tollen Mann hat, der sie so liebt, dass er den Rest seines Lebens mit ihr verbringen will. Verdammt, ich habe beim letzten Sonntagsfilm mehr Begeisterung für die Hochzeitspläne von Eleonor Wood und James Farland aufbringen können als jetzt für die meiner besten Freunde. Irgendetwas stimmt mit mir ganz und gar nicht. Während ich Idefix seinen Fressnapf hinstelle, auf den er sich stürzt, als hätte ich ihn wochenlang hungern lassen, wird mir bewusst, was sich da kalt und klamm und grün durch meine Eingeweide frisst. Neid. Ich bin ein neidischer, bitterer, missgünstiger Mensch. Ein nicht kleiner Teil meines Selbst findet es total ungerecht, dass ausgerechnet meine freiheitsliebende Freundin einen heiratswilligen, treuen und liebenden Mann gefunden hat, obwohl sie diese Qualitäten gar nicht zu schätzen weiß. Obwohl sie all das spießig findet. Und was habe ich? Einen gefühlskalten Klotz, der Liebe für eine Illusion hält und meine Gefühle für ihn nicht im Mindesten erwidert. Selber schuld, flüstert eine leise, hämische Stimme in mir, und eine andere sagt: »Das hast du doch vorher gewusst.« Es ist Markos Stimme, denn genau das hat er mir gestern Nacht hinterher gerufen. Und natürlich hat er damit absolut Recht. Ich wusste das nicht nur, ich wollte es auch. Wir haben sogar einen Vertrag über unsere Beziehung abgeschlossen und ich habe mir eingebildet, so jedes Drama aus unserem gemeinsamen Leben raushalten zu können. Das ist ja wohl gründlich danebengegangen. Seit einer halben Stunde sitze ich jetzt schon in meiner Küche und starre an die Wand. Da mich das nicht weiterbringt, begebe ich mich an meinen Schreibtisch und beginne das Tagesgeschäft. Ich checke E-Mails, überarbeite einen Artikel zum Thema Schönheitsoperationen, den mir die Chefredakteurin der »Angelika« mit Korrekturwünschen zurückgesendet hat, und führe für eine Jugendzeitschrift ein Telefoninterview mit dem Zweitplatzierten einer Castingshow vom letzten Jahr, der mittlerweile auf Jahrmarktschreier umgesattelt hat. Reißerisch verpackt und bissig kommentiert geht der Artikel nach ein paar Stunden an die Redaktion und ich beschließe, für heute Feierabend zu machen. Schließlich muss ich mich auch noch um ein paar andere Dinge kümmern. Einen Termin beim Frauenarzt zum Beispiel. Danach ziehe ich mich warm an, nehme Idefix an die Leine und mache mit ihm einen langen Spaziergang. Zum Glück regnet es nicht mehr, der Himmel ist klar, bis auf ein paar kleine Wattewölkchen, und die angenehm kühle Luft pustet mir den Kopf wieder frei. Langsam dämmert mir, dass ich mich albern benommen habe. Und ganz und gar nicht entsprechend der Abmachung. Sinn und Zweck der Übung sollte doch sein, das Drama zu vermeiden. Keine Streitereien, Eifersuchtsattacken und Zickereien. Sondern Friede, Freude, Eierkuchen. Dann habe ich mich eben in Marko verliebt, was zugegebenermaßen so nicht geplant war. Ist das wirklich so schlimm? Immerhin bin ich schwanger von ihm und er laut Vertrag für die nächsten achtzehn Jahre an mich gebunden. Wir werden in einer Wohnung wohnen, wenn auch in getrennten Schlafzimmern. Werden unser Kind zusammen aufziehen, Familiensonntage im Bett verbringen, unser Leben teilen. Was mehr kann man sich wünschen? Und sollte Marko doch eines Morgens die Augen aufschlagen und beschließen, seinen Widerstand gegen die Liebe aufzugeben, wen wird er dann am Frühstückstisch sehen? Mich! Und seine kleine Familie! Da wird es sich doch ganz von selbst anbieten, sich in mich zu verlieben. Die Mutter seines Kindes. Zumindest ist das nicht vollkommen unmöglich. Etwas beschwingteren Schrittes laufe ich weiter und pralle unsanft mit einem Mann zusammen, der in diesem Moment aus einem Hauseingang kommt.
»Was machst du denn hier?« Ich blicke in Markos tiefblaue Augen.
»Ich arbeite hier.« Er deutet auf das Schild im Schaufenster, auf dem in großen Lettern »Immobilienvermittlung Graf« steht. Tatsächlich. Ohne es zu bemerken, hat mich mein Unterbewusstsein direkt ins Hamburger Schanzenviertel und dort vor Markos Arbeitsplatz geführt.
»Na klar, weiß ich doch. Hallo!«
»Wolltest du zu mir?« Er ist zwar distanziert, aber nicht unfreundlich, was ich ihm nach der Aktion von letzter Nacht hoch anrechne.
»Ja. Ich würde gerne mit dir sprechen.
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