Liebe oder so
Wodka-Lemon zum halben Preis.“
„Europa, wie?“, meinte ich.
„Was?“
„Nichts. Ich nehm zwei davon.“
„Okay – kann aber ein bisschen dauern“, sagte er.
„Du meinst, ich sollte gleich vier bestellen?“
„Was?“
„Schon gut. Zwei.“ Ich formte mit den Fingern ein V, er nickte und zog ab.
Im Hintergrund sangen die Cranberries tapfer, aber ve rgeblich gegen ihre Bedeutungslosigkeit an. Die Musik schien immer lauter zu werden und zu allem Überfluss pustete man auch noch künstlichen Nebel in den Raum. Ich konnte in diesem Rauch nicht mal meine Schuhe sehen, vermutete aber, dass Carolin immer noch am Tanzen war.
Keine Ahnung, wie der Kellner mich wiederfand, wah rscheinlich hatte er mir heimlich ein Ortungsgerät verpasst.
„Zwei Wodka-Lemon, macht vier Euro“, sagte er.
„Vier? Wow, halber Preis ist keine schlechte Sache.“
Caro kam in dem Augenblick von der Tanzfläche zurück, als Kellner und Nebel wieder abzogen.
„Puh, ich bin ganz schön erledigt“, sagte sie und nahm mir eines der Gläser aus der Hand.
„Spielen die hier immer die gleiche Musik?“, fragte ich.
„Nein, donnerstags ist Reggae-Abend und freitags Oldie-Night. Warum?“
„Nur so.“
Sie zog eine Grimasse. „Jetzt sei mal kein Spießer! Versuch doch wenigstens, ein bisschen Spaß zu haben, ja?“ Sie trank ihr Glas aus. „So“, meinte sie, „weiter geht’s!“ Und schon war sie wieder weg.
Ich nippte an meinem Wodka. Er war viel zu warm, d afür aber ziemlich stark gemixt. Allmählich ging mir die Musik auf die Nerven, das Ganze war einfach langweilig. Der Diskjockey sah das offenbar genauso und versuchte, am Mischpult ein wenig durcheinander zu scratchen. Das Ergebnis war, dass die Musik nun klang wie auf dem Rummelplatz.
Ein Mädchen gesellte sich zu mir und stieß mich mit dem Ellbogen an.
„Was trinkst’n da?“
„Wodka-Lemon“, antwortete ich.
Sie schnappte sich mein Glas und trank es in einem Zug aus. „Bääh, ist ja widerlich warm!“
Ich guckte sie mir so genau an, wie es die Lichtverhältnisse erlaubten. Sie mochte vielleicht Anfang zwanzig sein und hatte die Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, was ihr ein etwas strenges Aussehen verlieh. Aber ich fand ihren schönen Mund und die Springerstiefel interessant, die sie unter ihrem langen Rock trug. Auf jeden Fall hatte ich sie noch nie zuvor gesehen, da war ich mir ziemlich sicher.
„Tja, das hätte ich dir vorher sagen können. - Kennen wir uns?“, fragte ich, um mich zu vergewissern.
„Nö.“
Sie beobachtete die Leute auf der Tanzfläche und schien kaum noch Notiz von mir zu nehmen. Dann drehte sie sich um und verschwand wieder im Dunkel, als wär’s für sie die normalste Sache der Welt, wildfremden Männern ihren Wodka wegzutrinken.
„Hey!“, rief ich ihr hinterher, aber in dem Lärm hörte ich mich nicht mal selbst. Als der Kellner vorbeikam, drückte ich ihm die Gläser in die Hand und orderte nochmal dasselbe.
„Aber sag dem Wirt, er soll diesmal nicht so knapp ei nschenken.“
Später stellte mir Carolin den Besitzer der Disco vor, einen ziemlich arroganten Kerl um die fünfzig, mit dem sie sehr vertraut und verdächtig liebevoll umging. Er hieß Horst, war unnatürlich gebräunt und hatte kurze, blondierte Haare, zwei Äußerlichkeiten, die in dieser Kombination Unbehagen bei mir auslösten. Mir gefiel nicht, wie er aussah, mir gefiel nicht, wie er redete, vor allem aber gefiel mir nicht, wie er Caro anguckte.
Wir saßen in seinem Büro hoch über der Tanzfläche. Hier war der Lärm erträglich, die Scheiben mussten aus Panze rglas bestehen. Während sich Carolin von Horsts Prahlereien beeindrucken ließ, sah ich mich ein bisschen um. Es gab eine lederne Couchlandschaft, eine gut bestückte Bar und einen Schreibtisch, der vor lauter Papierkram überquoll. Ich bediente mich an der Bar und goss zwei Fingerbreit vom teuersten Cognac ein, den ich finden konnte.
Mir wollte nicht in den Kopf, wozu wir hier oben waren. Dass Horst an Caro Gefallen gefunden hatte, lag nahe, aber umgekehrt? Inzwischen ließ er Carolin Filmmusiken raten. Mit diesem alten Knacker neben sich und den riesigen Kopfhörern auf dem Kopf sah sie aus wie ein Kind. Nach einer halben Stunde langweilte ich mich, ich fühlte mich schlicht links liegengelassen. Außerdem stieß mir der verdammte Cognac auf.
„Du, ich hau jetzt ab. Kommst du mit?“, fragte ich.
„Jetzt schon?“, maulte Carolin. „Ist doch noch so früh.“
„
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