Liebe oder so
darauf kam’s jetzt auch nicht mehr an. Sie sprach nicht viel, ich fragte auch nicht. Das hatte nichts mit ihr zu tun, mir war einfach nicht danach. An einem anderen Tag hätte die Sache vielleicht anders ausgesehen, aber mir ging die Sache mit Caro und diesem Horst durch den Kopf, und ich wäre gern mit meinen Gedanken allein gewesen.
Das Mädchen saß merkwürdig steif neben mir und guc kte gleichgültig nach draußen. Um diese Zeit war die halbe Stadt unterwegs, alle mit dem Vorsatz, sich zu amüsieren. Wir beide mussten wirken wie die personifizierte Kritik an der Spaßgesellschaft.
„Da wären wir“, sagte ich.
„Hm?“
„Nummer 34 - wir sind da .“
Sie blickte um sich, als sähe sie die Gegend zum ersten Mal.
„Soll ich dich zur Tür begleiten?“
„Was?“ Sie sah verwirrt aus.
„Zur Tür. Begleiten.“ Ich wies in die Richtung des Hauses.
Sie schüttelte den Kopf und machte Anstalten, die Jacke auszuziehen.
„Lass mal“, meinte ich und schrieb ihr meine Nummer und Adresse auf, „ruf mich doch einfach morgen Abend an, dann treffen wir uns irgendwo auf nen Kaffee, und du bringst mir die Jacke mit.“
„Wieso sollte ich das tun?“
„Weil du mir wenigstens nen Kaffee spendieren könntest dafür, dass ich dich hierher gefahren habe.“
Sie überlegte kurz. „Okay, einverstanden . Und wann?“
„Gegen sieben?“
„Abends?“
„Ja klar, abends“, sagte ich, „ morgen früh muss ich arbeiten.“
„Okay. Abends also.“ Sie öffnete die Tür.
„Sag mal, wie heißt du eigentlich?“
„ Johanna.“
„ Schöner Name. Ich bin Alex.“
„Bis morgen dann.“ Die Autotür fiel ins Schloss, und ich sah zu, dass ich nach Hause kam.
8
Am übernächsten Abend machte ich einen ziemlichen Umweg, um bei ihr vorbeizuschauen. Sie hatte sich nicht gemeldet, auf dem Anrufbeantworter war nur Carolin, die mir mitteilte, dass zwischen Horst und ihr nichts gelaufen sei und sie sich wirklichwirklich nur unterhalten hätten. Ich rief zurück und sagte ihr, dass mir das ziemlich wurscht sei und ich die Sache längst vergessen hätte - was sogar gewissermaßen stimmte.
„Tut m ir leid, dass der Abend so blöd gelaufen ist“, meinte sie.
„Mach dir darum mal keinen Kopf“, sagte ich, „ich hab schon Schlimmeres erlebt.“
„Mit mir?“
„Mit dir auch. Aber eigentlich hab ich Sonja gemeint.“
„Sehen wir uns die Woche noch?“
„Wenn du willst . Wie wär’s mit Freitag?“, schlug ich vor.
„In Ordnung. Holst du mich ab?“
„Klar. Ich meld mich vorher noch mal. - Aber jetzt muss ich wirklich los.“
„Ne Verabredung?“, fragte sie.
„Glaub nicht. Aber ich lass mich mal überraschen.“
„Dann mal viel Glück und ciao.“
„Jaja, selber ciao“, sagte ich und legte auf. Es war ein Kreuz mit ihr, ich war mir mittlerweile nicht mehr so s icher, ob sie meinet- oder ihretwegen mit mir um die Häuser zog. Jedenfalls hielt sie mich ganz schön auf Trab. Blieb nur zu hoffen, dass einem von uns beiden schleunigst jemand über den Weg lief, für den sich die Plackerei lohnte.
Ich parkte direkt vor der Hausnummer 34 . Das hätte mich stutzig machen müssen, normalerweise gelang mir sowas nie. Die Fenster waren erleuchtet, der Klingelknopf nicht. Ich musste dreimal läuten, ehe mir ein rundlicher Mittfünfziger öffnete.
„Ja?“
„Guten Abend, ich bin ein Bekannter von Johanna. Ist sie da?“
„Wer?“
„Johanna.“
„ Erika!“, rief der Mann über die Schulter weg, ohne mich aus den Augen zu lassen. Eine müde aussehende Frau trat hinzu, artig lächelte ich die beiden an. Mir war elend kalt, obwohl ich zwei Pullover übereinander gezogen hatte.
„Guten Abend“, sagte ich noch einmal, da der Mann keine Anstalten machte, seine Gattin aufzuklären, „ich habe Johanna vorgestern meine Jacke geliehen und wollte sie mir jetzt wieder abholen.“
„ Johanna?“ Sie wechselte einen Blick mit ihrem Mann.
„ Er hat sich in der Tür geirrt.“
„Aber nein.“ Ich fühlte, wie ich allmählich unsicher wurde. „Ich hab sie selbst hergebracht und gesehen, wie sie hier rein ging.“
„Das sollte mich sehr wundern“, bemerkte der Mann, „hier wohnt jedenfalls niemand außer uns.“
„Aber Sie haben eine Tochter, um die zwanzig vielleicht?“, machte ich einen letzten Versuch.
„Da muss ich Sie enttäuschen“, die Frau lächelte schwach, „aber wir haben keine Kinder.“
Ich sah ein, dass es sinnlos war, und wünschte den beiden eine gute Nacht, ehe ich
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