Liebe oder so
meinen Betreuerpass sehen. Christian begann zu randalieren und ließ sich aus dem Rollstuhl gleiten, was wiederum den Verantwortlichen immerhin so peinlich war, dass auch ich zum halben Preis rein durfte. Ich fand das fair, denn Fußballvereine sind chronisch knapp bei Kasse, und ich wollte mit unserem Trick nicht dafür verantwortlich sein, dass die Spieler im Training mit Dosen kicken mussten.
Ich rollte Christian hinter einem Ordner her durch die Katakomben des Stadions. Als wir an der offen stehe nden Kabine der Gastmannschaft vorbeikamen, rief Christian: „IHR L-LUSCHEN!“
„Entschuldigung“ , sagte ich, „er meint es nicht so.“
„M -MEIN ICH WOOOHL!“ Mit irrem Blick winkte er ihnen zu. Ratlos winkten sie zurück.
Das Spiel war mies. Wir standen auf der Tartanbahn d irekt hinter dem gegnerischen Tor, aber unsere Jungs ließen sich dort nur selten blicken. Der Torwart der Gäste machte vor unserer Nase allerlei Dehnübungen, um bei der Kälte geschmeidig zu bleiben.
„DER IS JA KOMISCH!“ sa gte Christian viel zu laut. „I-IS DER BEIM FERNSEHB-BALLETT?“
Der Torwart drehte sich zu uns um. Es war ihm anzusehen, dass sein Mitgefühl für diesen seltsamen Rollstuhlfahrer schwand, der ihn da gerade unschuldig angrinste. Nur das Spiel, die Schiedsrichter und die paar Tausend Leute auf den Rängen hielten ihn davon ab, uns beide zu verdreschen.
Kurz vor der Pause brachte unsere Mannschaft dann doch noch einen Angriff zustande .
„PASS AUF, JETZT SCH -SCHIESSEN WIR DAS TOR!“, unkte Christian.
„Halt doch die Klappe!“, sagte ich.
„HEY DU!“
Der Torwart warf ihm einen wütenden Blick aus dem A ugenwinkel zu, während er dem Spiel folgte und sich bereit machte, rauszulaufen.
„ DEN H-HÄLTST DU NIE IM L-LEBEN!“
Im selben Augenblick zischte der Ball ins Netz. Es war der allererste Schuss unserer Jungs aufs Tor.
„HAB ICH DOCH GES-SAGT – DEN HÄLT ER NIE IM L-LEBEN!“
Der Torhüter beschwerte sich beim Schiedsrichter und den Ordnern über uns, und ich schaffte Christian aus dem Stadion, ehe man uns rauswarf. Wir lieferten den Rollstuhl wieder bei seinem Opa ab, teilten ihm den Zwischenstand des Spiels mit und fuhren auf ein Bier in die Stadt.
„Wie war’s eigentlich heute bei Helene?“, fragte Chri stian.
„Nett, wie immer.“
„Was sagen die zu der ganzen Sache?“
„Was sollen sie sagen? Ich glaub e, sie fühlen sich ein bisschen wie Scheidungskinder.“
„ Hm.“
„ Bei dir?“
„Ich war bei meinen Eltern. War auch wie immer. Nur nicht so nett.“
Ich trank mein Bier aus. „Wann fliegst du wieder?“
„Übermorgen.“
„Dann wirst du’s überleben. Sag Bescheid, wenn ich dich fahren soll.“
„Danke, aber mein Alter bringt mich hin.“
Als wir zahlten, gaben sie im Radio gerade die Fußballergebnisse durch. Unsere Jungs hatten 1:0 gewonnen.
7
Ich machte einen kleinen Umweg und holte Carolin zu Hause ab. Es war das erste Mal seit Wochen, dass ich ausging. Mit Christian hatte ich außer dem Spiel nichts unternommen, nachdem er wieder seine Wohnung bezogen hatte. Er war bei seinen Kurzbesuchen immer im Stress, weil alle möglichen Freunde von früher ihn sehen wollten, ehe er wieder abflog. Meine Abende bestanden meist darin, mit dem Sofa zu verschmelzen. Caro hatte mich in einem schwachen Moment erwischt und gleich auf diesen Tag festgenagelt.
Ihre Wohnung lag im fünften Stock, und ich war etwas außer Puste, als ich oben ankam. Drinnen hörte ich sie singen, während ich am Türpfosten lehnte und nach Luft schnappte. Ich klopfte an die Tür, eine Klingel gab es nicht.
Carolin riss die Tür auf und strahlte. „Hey! Komm rein!“
Sie versetzte mir ein paar Küsschen rechts und links und rauschte dann in Richtung Badezimmer davon. Noch war sie in BH und Jogginghose, aber im Flur hing ein rasant geschnittenes Oberteil. Ich rechnete es mir als Ehre an, dass sie offenbar vorhatte, sich richtig in Schale zu schmeißen, denn Armin ließ sie heute Abend zu Hause. Er lag in schmutzigen Tennissocken auf dem Sofa, die Hand in eine Chipstüte versenkt, und ergötzte sich an unserem Anblick.
„Bin sofort fertig“, rief Caro aus dem Bad. „Regnet’s draußen?“
„ Noch nicht“, antwortete ich, „aber sieht schwer danach aus.“
„Was? Ich versteh dich nicht, der Ventilator ist so laut.“
Die Tür zum Badezimmer war nur angelehnt, ich ging hinüber und drückte sie auf. Da stand sie, den Kopf zur Seite geneigt, eine Handvoll Haarspangen
Weitere Kostenlose Bücher