Liebe oder so
lieber an das üppige Büffet, da wusste ich wenigstens, wo ich dran war.
Leo und die Mädchen hatte ich inzwischen aus den Augen verloren. Ich behielt mir die Möglichkeit vor, später irgendeinen von den Gästen um eine Fahrgelegenheit anzuhauen. Früher hatte ich solche Partys immer frühzeitig verlassen, aber mittlerweile wusste ich, dass es sich lohnen konnte, ihnen eine zweite Chance zu geben. Ich beschloss also, erstmal abzuwarten, stapelte eine Handvoll Häppchen auf meinem Teller und setzte mich mit einer Flasche exzellenten Weißweins in die hinterste Ecke der Küche.
„Wo geht’s denn hier zum Klo?“ Ich musterte den Kerl, der vor mir stand, ganz offensichtlich einer aus Helges Agentur. Er sah bis ins Detail seines Cordjäckchens schwer nach siebziger Jahre aus, Retro-Look nannte man das wohl.
„Ins Treppenhaus raus, zweite links“, sagte ich, um ihn loszuwerden. Wortlos machte er kehrt und steuerte den Hausflur an . Sollte er doch selbst rausfinden, ob’s überhaupt irgendwelche Türen im Treppenhaus gab, ich war schließlich auch zum ersten Mal hier. Da machten diese Typen ein Wahnsinns-Tamtam um irgendwelche schlauen Sprüche, aber nach Feierabend leiteten Sie Gespräche mit „Wo geht’s denn hier zum Klo?“ ein.
Allmählich füllte sich die Küche mit Gästen . So ging’s mir immer, wenn ich mal ein nettes, ruhiges Plätzchen gefunden hatte, war der Typ, der einem auf die Eier gehen wollte, garantiert nicht weit. Ich war schon daran gewöhnt, meine Sandburg immer wieder aufs Neue zertrampelt zu bekommen, und wusste, dass es sinnlos war, dagegen anzugehen. Also schnappte ich mir mein Glas und nahm den Rest der Wohnung in Augenschein.
Dort hatten sich die Reihen deutlich gelichtet, man konnte endlich mal was von den Möbeln sehen. Das Wohnzi mmer fand ich etwas klein dimensioniert, bis ich dahinterkam, dass Helge sich ein eigenes Lesezimmer leistete und sich das eigentliche Wohngemach dahinter befand. Fünf Typen saßen dort auf den Sofas herum und ödeten sich an. Ich gebe zu, es muss nicht unbedingt von Vorteil sein, wenn man auf solchen Partys jemanden kennt.
Auf der anderen Seite des Ganges lagen zwei ve rschlossene Türen ohne Aufschrift, messerscharf folgerte ich, dass sich dort das Badezimmer befinden musste. Ich öffnete die erste und stand in Helges Schlafzimmer. Auf dem Futonbett türmten sich die Mäntel der Gäste, ansonsten waren da ne Menge teuer aussehender Schränke und ein Flickenteppich von Ikea. Ich schloss die Tür wieder und versuchte es mit der nächsten.
Es war abgeschlossen . Da ich schon mal da war, schnorrte ich mir von einem der Vorbeikommenden eine Zigarette und wartete. Es gab ne Menge Wände zum Dekorieren, Helge hatte sein Bestes gegeben und dutzendweise Plakate von Musicals und Filmen, Ausstellungen moderner Kunst und so weiter aufgehängt, aber trotzdem klafften überall dazwischen riesige Lücken.
Leo kämpfte sich zu mir durch.
„Na, amüsierst du dich auch schön?“, wollte er wissen.
„Ich hätte mir hinten reingebissen, wenn ich heute Abend nicht hätte hier sein können.“
„Siehste, verdankst du alles mir !“ Er lachte.
„Hast du deine Mädchen verloren?“
„Keine Ahnung, wo die sind. Wahrscheinlich haben sie sich irgendwo festgequatscht. - Haste ne Zigarette für mich?“
„Hab selbst geschnorrt.“ Ich hielt ihm meine Kippe hin, und wir rauchten sie gemeinsam weiter. „Ich glaub, ich werd nicht alt hier.“
„Zu viele Hornbrillen?“, fragte er.
„ Tja.“
„Ich werd mal mit den Mädels reden, vielleicht fahren wir ja auch bald.“ Leo wandte sich zum Gehen.
„Wart mal, was kriegste eigentlich von mir?“
„Wegen dem Geschenk? Gib mir nen Zehner, dann sind wir quitt.“
„Was hab ich Helge eigentlich geschenkt?“, fragte ich.
„Nen Milchaufschäumer.“
„Mit fünf Mann? Ist das nicht ein bisschen mickrig als Geschenk?“
„Jetzt beschwer dich nicht, wir haben im Gegensatz zu dir immerhin ein Geschenk besorgt! Außerdem ist das Ding aus Edelstahl und hat irgendeinen Designpreis gewonnen.“
„Wir hätten ihm ein Playboy -Abo kaufen sollen. Die Wohnung könnte ein paar Poster vertragen.“
„ Beim nächsten Mal vielleicht.“ Er verschwand mit meiner Zigarette.
Hinter der Tür regte sich immer noch nichts. Ich legte mein Ohr ans Türblatt und lauschte, aber drinnen war es totenstill. Womöglich wartete ich darauf, dass die Besenkammer frei wurde.
„Hallo?“, rief ich und klopfte an die Tür.
„Einen
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