Liebe oder so
In letzter Zeit streiten wir uns wegen jeder Kleinigkeit, ich weiß selbst nicht warum. Aber andererseits sind wir schon so lange zusammen, und ich will ihn nicht einfach so verlieren. Es muss noch irgendeine Möglichkeit für uns geben.“ Sie sah mich frontal an, ihre Augen schienen in dem Licht ungewöhnlich groß zu sein.
„ War das ne Frage?“
„ Weiß nicht“, sagte sie. „Hast du denn ne Meinung dazu?“
„ Keine Ahnung. Ja, denke schon, irgendwie gibt’s immer Möglichkeiten. Aber eigentlich ist das doch auch egal, oder?“
„Was meinst du damit?“
„Caro, ich kenne dich seit ner Ewigkeit, und ich hab auch schon oft solche Situationen mit dir erlebt. Meine Meinung spielt doch gar keine Rolle, und selbst wenn ich den totalen Überblick hätte, würdest du vermutlich eh nicht auf mich hören. Letztlich ist es immer deine eigene Entscheidung, ganz egal, wer dir was rät.“
„Du meinst, wir stehen erst am Anfang?“, fragte Carolin. Das Innere meines Autos kühlte langsam ab, beim Atmen stiegen kleine Wölkchen in Richtung Rückspiegel.
„ So sieht’s aus.“
„Du bist mir vielleicht ne Hilfe. Ich hab gehofft, du könntest mir jetzt sagen, was ich tun soll.“
„Verlass Armin und geh wieder zurück zu Chris“, schlug ich vor.
„Chris?“ Sie lachte, als sei dies in ihren Augen die abwegigste Möglichkeit. „Hat er dir gesagt, du sollst mir das anraten?“
„ Quatsch, er weiß doch gar nichts von euren Problemen!“
„Ihr habt nie über uns gesprochen?“, fragte sie.
„Nur am Rande. Aber ich wüsste nicht, wieso ich mit ihm über dich und Armin tratschen sollte. Warum?“
„Ach, nur so . Er hat mich vor ein paar Wochen angerufen und wollte sich mit mir treffen.“
„Aber?“
„Ich hatte viel um die Ohren, und er war nur für ein paar Tage in Deutschland, ehe er wieder los musste. Ich glaub, er hat irgendwas von Mexiko gesagt.“
„ Caro?“
„Ja?“
Ich zögerte für einen Augenblick. „Keine Ahnung, ob ich dir das sagen sollte, aber ich glaube, dass er dich gern zurückhätte.“
„Zurück hätte?“
„Ja.“
„Ich gehöre niemandem, und schon gar nicht Chris!“, meinte sie trotzig.
„Komm sch on, du weißt, wie ich das meine. Er fragt oft nach dir.“
„Lass gut sein“, sie gab mir einen Kuss auf die Wange und öffnete die Tür, „ die Sache ist für mich beendet. Ich mag ihn mittlerweile wieder als Freund, aber an allem, was darüber hinausgeht, bin ich nicht mehr interessiert. Das hatten wir schon.“
Sie stieg aus, unter ihren Sohlen knirschte der Schnee. „Rufst du mich an?“
„ Ja“, sagte ich.
„Bis dann .“ Ich sah ihr nach und wartete, bis sie die Haustür aufgeschlossen hatte und dahinter verschwunden war. Im Treppenhaus flammte Licht auf, und ich verfolgte ihre Silhouette hinter dem Milchglas bis hinauf in den vierten Stock, ehe ich den Wagen startete.
Auf dem Heimweg erwischte ich so ziemlich jede rote Ampel und hatte ausreichend Gelegenheit, mir Geda nken über sie zu machen. Es wäre mir nie ernsthaft in den Sinn gekommen, Carolin und Christian noch einmal miteinander zu verkuppeln, das war mehr so ein Wunschdenken von mir. Ich wusste, dass sie gut zueinander passten, aber ich wusste eben auch um die Dinge, die sie auseinander gebracht hatten. Und nach dem, was mir selbst in jüngster Zeit so widerfahren war, durfte ich mir nicht gerade einbilden, das Geheimnis eines funktionierenden Liebeslebens zu kennen.
Die letzten beiden Blocks musste ich zu Fuß gehen, weil ringsum alle Parkplätze besetzt waren. Es war klirrend kalt, und ich fluchte den ganzen Weg über meine viel zu dünne Sommerjacke. Als ich endlich die Wohnungstür aufschloss, erwarteten mich dort nur Chaos und schmutziges Geschirr, seit Monaten meine beiden treuesten Begleiter. Schön, dass wenigstens auf sie Verlass war.
Ich verwandelte das Gästebett, auf dem ich am Abend beim Essen herumgelungert hatte, wieder in eine Couch und verstaute die Decken im Schrank. Die Küche ließ ich links liegen und ging schnurstracks ins Badezimmer. Auf der Ablage neben der Zahnpasta lag ein Haarband, ich nahm es in die Hand. Es war knallrot und gab mir für einen kurzen Moment das Gefühl, nicht ganz allein auf der Welt zu sein. Dann war der Moment vorüber, ich putzte meine Zähne zu Ende und hängte das Band an einen Haken.
In den Kissen steckte noch ein Hauch von Carolins Geruch, und es war angenehm, mit ihm in der Nase den Tag zu beenden. Ein paar Gedankenfetzen huschten
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