Liebe oder so
noch schnell durch meinen Kopf, dann gingen auch sie in Deckung, und ich schlief schließlich ein.
12
„Was ist los? Bist du krank oder so was?“
„Wieso?“, fragte ich und folgte Leos Blick. Er tat, als habe er noch nie einen Single in Jogginghosen gesehen.
„Hast du schon mal auf die Uhr geguckt? Es ist halb acht, die anderen warten auf dich.“
Ich überlegte. „ Helge?“
„Ganz genau. Bist’n pfiffiges Kerlchen. Also, was ist jetzt?“
„Ich hab’s total verpennt“, sagte ich, „sorry.“
„Von wegen sorry. Zieh dich an, und dann los!“
„Sag ihm doch einfach, ich hätte ne Grippe oder so. Ich hab nicht mal ein Geschenk und bis ich jetzt umgezogen bin...“
„Ich geb dir drei Min uten, dann bist du fertig.“
Ich kannte ihn, er konnte unerbittlich sein. Draußen hupte ein Auto.
„Zwei Minuten“, verbesserte er sich. „Mach hin, du kannst dich an unserem Geschenk beteiligen!“
Es hatte keinen Sinn . Ich fügte mich und sprang in die Klamotten vom Vorabend, die ich zum Lüften auf den Balkon gehängt hatte. Sie waren frostkalt und rochen noch immer nach Rauch, aber auf Helges Geburtstagsparty würden sie sich schnell heimisch fühlen.
In dem Auto saßen bereits einige Mädchen, die ich nicht kannte. Da sie sich offensichtlich selbst genügten und kaum Notiz von mir nahmen, machte ich mir erst gar nicht die Mühe, mir ihre Namen zu merken. Die ganze Fahrt über schwatzten sie munter hin und her, ich b ereute bereits, mitgekommen zu sein.
„Bleib locker, Mann“, meinte Leo, der mich im Rückspiegel musterte.
Ich hatte einen beschissenen Tag hinter mi r. Irgendwie hatte ich bereits eine Vorahnung gehabt, jedenfalls war ich nach einer allzu kurzen Nacht extra eine halbe Stunde früher aufgestanden, um pünktlich im Laden zu erscheinen. Dennoch war ich erst kurz vor neun da, meinem offiziellen Arbeitsbeginn.
Erwartungsgemäß war mein Chef nach der Aktion mit dem Gebietsleiter vom Vortag äußert mies gelaunt und ließ seinen Frust darüber an mir aus. Es war einer dieser Rutsch-mir-sonst -wo-runter-Tage, an denen man lediglich den Befehlsempfänger geben kann, wenn einem der Job was wert ist. Zum x-ten Mal nahm ich mir vor, am Wochenende über Alternativen nachzudenken.
Den ganzen Vormittag über spazierten alle möglichen Leute im Laden herum und hielten mich von der Arbeit ab. Ich kannte das schon, akute Kaufunlust. Ein typisches Samstagvormittagphänomen, bei dem Leute, die nichts Besseres vorhatten, anderen Leuten, die arbeiten mussten, auf die Nerven gingen. Kurz vor Torschluss hatte mich noch meine zickigste Kundin heimgesucht. Sie drangsalierte mich so lange mit Rahmenwünschen für ihre muffigen Gobelins, bis ich sie regelrecht aus dem Laden kehrte.
Die anderen waren schon fast alle da, als wir eintrafen. Die Bude war gerammelt voll, eine dieser Altbauwo hnungen mit irre hohen Stuckdecken, die man normalerweise für WGs nutzt, weil sie für einen alleine zu teuer sind.
„Hallo, wie geht’s?“ Helge strahlte uns an und drückte mich, der ich voran ging, an seine Brust.
„Super“, sagte ich müde und sah mich um. „Ne schöne Wohnung hast du da.“
„Danke, aber hier drin darfst du nichts verlieren, nicht mal deine Freundin. Könnte sonst sein, dass du sie erst in ein paar Monaten wiederfindest. Ich verlauf mich heute noch.“
„Schon mal mit Brotkrumen versucht?“, versuchte ich einen Scherz, aber er ging in dem allgemeinen Begrüßungsprozedere der anderen unter. Ich verzog mich unauffällig in den nächsten Raum.
Dass Helge ganz alleine in diesem Palast wohnte, machte ihn in meinen Augen nicht zu einem schlechten Menschen, obwohl einige der Anwesenden sicherlich anders darüber dachten. Er verdiente bloß unmäßig in einer dieser Medienagenturen, die wie Pilze aus dem Boden schossen und deren Angestellte einem nie so recht erklären konnten, worin ihre Arbeit eigentlich bestand. Ich mochte ihn, sympathischerweise bedeuteten ihm weder die Arbeit noch die Kohle allzu viel, und wenn mir eines dieser hauchdünnen Designer-Gläser in der Hand zersprungen wäre, die fein säuberlich aufgereiht auf dem Gabentisch standen, hätte er kein Wort darüber verloren.
Dennoch waren wir eher flüchtige Bekannte und sahen uns nur gelegentlich. So nett er auch war, so unwohl fühlte ich mich zwischen all den Hornbrillenträgern aus seiner Agentur. Die Frauen waren Spitze, hingen aber gerade alle am Arm oder den Lippen von irgendeinem Typen. Ich hielt mich da
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