Liebe oder so
unverbrauchte Körper, aber an diesem Abend fühlte ich mich durch den Anblick dieser Mädchen bloß umso verbrauchter. Mir war, als stünde ich vor einem Riesenberg wundervoller Geschenke, die für jemand anderen bestimmt waren.
Als ich wieder zur Theke zurückkam, war Caro verschwunden. Ich bestellte uns noch zwei Biere in dem Glauben, sie irgendwo zu entdecken, und schnappte vor der Tür ein bisschen frische Luft. Dabei lief ich geradewegs in die Arme von Daniel, der mich sogleich in Beschlag nahm.
Er war ein netter Langweiler, aber das war ich ja auch, da machte ich mir nichts vor. Die pure Höflichkeit hielt mich davon ab, ihn nach Ablauf einer Gnadenfrist einfach stehen zu lassen. Das und die Tatsache, dass der Abend erstaunlich mild und meine Flasche noch halb gefüllt war.
Am Rande bekam ich mit, dass er sich kürzlich verlobt hatte und derzeit für ein Baugrundstück in der Nähe seines Elternhauses vo rgemerkt war. Normalerweise nervten mich solche Gespräche, doch in diesem Moment verspürte ich lediglich ein Gefühl innerer Gelassenheit. Je mehr er erzählte, desto erleichterter war ich, nicht an seiner Stelle zu sein. So schlecht ging’s mir doch im Prinzip gar nicht.
„Ich danke dir“, ich klopfte Daniel auf die Schulter und drückte ihm Caros Bier in die Hand, „aber jetzt muss ich wieder rein.“
Während ich an der Theke auf mein Flaschenpfand wartete, erspähte ich Carolin, die es sich mit einem fremden Typen im hinteren Teil gemütlich gemacht hatte. Sie schienen sich gut zu unterhalten, und ich hatte nicht die geringste Lust, sie dabei zu stören. Das fünfte Rad am Wagen war noch nie mein Ding, und der Abend mit Disco-Horst war mir noch allzu frisch in Erinnerung. Blieb nur zu hoffen, dass bald anständige Musik lief.
Zwei weitere Bier, anderthalb Stunden und ein lausiges Stück von Roxette später ging mir auf, dass sich in dem Laden außer uns nur noch Teenager befanden. Offenbar waren die Älteren schon nach Hause gegangen, und der Discjockey stellte die Musik bald endgültig auf HipHop um. Zu allem Überfluss gab ich ja heute den Fahrer und musste mich seit einer Stunde am letzten Bier festhalten. Selbst die Jüngsten hier tranken Härteres, und ich war in meinem Durst kurz davor, zu Mineralwasser überzugehen. Ich drückte meine Kippe aus und setzte mich in Bewegung, um Carolin das Zeichen zum Aufbruch zu geben.
„Von mir aus hätten wir ruhig noch ein bisschen ble iben können“, meinte sie, als wir endlich im Wagen saßen.
„Das kann ich mir denken“, sagte ich. Es war kurz nach halb zwei, ich musste am nächsten Morgen früh raus. „Wer war der Typ eigentlich?“
„Das war kein Typ, sondern Oliver.“
Aha, Oliver also. Alles klar.
„ Und, was macht er so?“
„Wie, was macht er? Du fragst ja schon wie mein V ater.“
„Kennst du ihn von früher?“
„Wüsstest du gerne, was?“
„ Geschenkt“, sagte ich.
„ Musst du morgen arbeiten?“
„Du meinst gleich? Ist ja zum Glück nicht mehr lange bis dahin.“
Carolin lachte. „Du strotzt ja nur so vor Energie. Nicht gerade eine Hochphase in deinem Leben, was?“
„ Nein, nicht wirklich.“
Ich setzte sie vor der Haustür ab. Alle Fenster ihrer Wo hnung waren dunkel.
„Ehrlich, du kannst ruhig wieder bei mir übernachten“, bot ich ihr an, „ich hab das eben nur so gesagt.“
„Lass mal, ist schon besser so“, meinte sie.
Die ganze Straße war wie ausgestorben, nicht mal ein Hund lief durch die Gegend. In einer Wohnung des gegenüberliegenden Hauses verbreitete eine alte Deckenlampe kaltes Licht.
„Was sagt Armin eigentlich dazu, dass du am Wochenende so oft auf der Piste bist?“
„Was soll er sagen? Er könnte ja mitkommen, wenn er wollte .“
„Das hab ich nicht gefragt.“
Sie seufzte. „Ist ja auch so ein Punkt, den ich ständig vorgeworfen bekomme. Ich hab bei ihm oft das Gefühl zu ersticken. Manchmal ist es schön mit ihm, und manchmal will ich nichts als meine Ruhe. Weißt du, was ich meine?“
„Glaub schon.“
„Ich denk mir halt immer, dass das auch wieder vorübergeht. Aber in letzter Zeit will ich irgendwie nur noch weg.“
„Weg von ihm?“, fragte ich.
„Wenn ich das wüsste.“ Caro warf einen Blick in Richtung Fenster. „Vielleicht, vielleicht auch nicht. Weißt du, als ich Armin kennengelernt habe, dachte ich, dass er zu den wenigen Menschen gehört, die mich verstehen.“
„Und heute?“
„Heute hab ich oft das Gefühl, wir reden nur noch aneinander vorbei.
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