Liebe oder so
spät sind . Dann müssen Sie eben früher losfahren. Was denken Sie, seit wann wir beide schon hier sind?“
Der Hauptkassierer sagte nichts, aber die Häme stand ihm ins Gesicht geschrieben. Endlich zogen die beiden ab, und ich kramte in den Schubladen nach vergessene r Schokolade, die mir als Ersatz für das ausgefallene Frühstück dienen konnte. Leider wurde daraus nichts, denn schon kam der erste Kunde zur Tür herein, und seine Stimmung war auf dem Nullpunkt.
„Dieses Bild habe ich letzte Woche bei Ihnen rahmen la ssen“, er griff in seine Umhängetasche und förderte vier Bilderleisten zutage, „und gestern fiel es von der Wand. Einfach so.“
Ich besah mir den Rahmen. Die Außenkanten waren absolut unbehandelt, er war lausig verklebt und die Halterung gewaltsam aufgesetzt worden. Die Arbeit trug die Handschrift meines Chefs, und ich überlegte, ob ich ihn ausrufen lassen sollte. Allerdings konnte ich mir schon vorstellen, wie die Sache ausgehen würde.
„ Das kriegen wir schon hin. Wissen Sie was, Herr...?“
„ Kühne.“
„Herr Kühne, ich mache Ihnen einen Vorschlag. Ich fertige den Rahmen bis übermorgen komplett neu für Sie an und bringe ihn Ihnen sogar noch am Abend vorbei. Geht alles aufs Haus.“
„Wirklich?“, fragte er.
„Nun ja, das mit dem Bringen hängt noch davon ab, ob ich mein Auto bis dahin wieder hinbekomme, da kann ich nichts versprechen. Aber der Rahmen ist auf jeden Fall am Mittwoch fertig. Und als Zeichen unserer Entschuldigung erhalten Sie von uns noch diesen Gutschein.“
„Ein Gutschein?“
„Einlösbar in einer beliebigen Filiale.“
„ Und Sie bringen das Bild wirklich vorbei?“ Kühne strahlte übers ganze Gesicht. „Ich danke Ihnen.“
„Nichts zu danken. War doch schließlich unser Fehler.“
„ Dann also… bis übermorgen?“
„ Bis übermorgen.“ Ich schüttelte ihm bekräftigend die Hand, und er verließ den Laden. Wenigstens einen Menschen hatte ich glücklich gemacht. Ich ahnte noch nicht, dass es gleichzeitig das letzte Positive an diesem Tag sein sollte.
Wir hatten Aktionswoche. Im Baumarkt klebten bunte RADIKAL REDUZIERT-Schilder an den Bohrmaschinen, Bodenfliesen und Kloschüsseln, und ich wurde dazu angehalten, ein paar unserer scheußlichsten Ladenhüter aufzupeppen und als Sonderangebote zu präsentieren. Die Kunden rannten uns die Bude ein und kauften außerhalb meiner Abteilung alles, was nicht angenagelt war.
Den ganzen Montag über ging das so . Jedes Mal, wenn ich an die Arbeit gehen wollte, stand jemand vor der Theke und wollte beraten werden – wobei die Rentner in meinem Laden grundsätzlich alles besser zu wissen schienen - oder um die herabgesetzten Preise feilschen. Wie dem auch sei, mir hing die Aktionswoche schon nach dem ersten Tag zum Halse raus. Zum Abschluss stritt ich mich nochmal mit meinem Chef wegen der geringen Einnahmen herum.
„Immer nur in Ihrem Bereich !“, rief er laut genug, dass alle anderen es hörten. „Lange sehe ich mir das nicht mehr an!“
Da lagen die Schere, der Seitenschneider und die Handsäge . Im Vorratsschrank warteten Dutzende rasiermesserscharfer Glasscheiben, und der Typ hatte keine Ahnung von meinem Gewaltpotential. In der Zeitung stand jeden Tag etwas von Familientragödien und Amokläufern, dachte er etwa, er sei immun dagegen?
Müde und abgekämpft steuerte ich meinen Wagen an. Es regnete, aber da stand ich schon drüber . Was man von dem Strafzettel wegen Falschparkens nicht behaupten konnte, den ich in tausend Stücke zerfetzte. Meine Karre gab keinen Mucks mehr von sich, aber ich kannte eine Werkstatt, die nicht weit entfernt lag, und der Typ am Telefon sagte mir zu, in fünf Minuten da zu sein.
Der Kleinbus, mit dem er ankam, hatte schon bessere Tage gesehen, aber auf der Tür prangte ein nagelneues Firmenschild. Der Mechaniker trug altmodische Koteletten und einen fettigen Overall, wirkte also vertrauenerweckend.
„Tja“, meinte er nach kurzer Untersuchung des Motorinneren, „schätze mal, da ist ne neue Wasserpumpe fällig.“
„Was kostet das denn?“, fragte ich.
„Kommt drauf an“, sagte er.
„Worauf?“
„Na ja, wenn ich das Teil gebraucht besorge, können Sie mit zwei bis drei großen Scheinen rechnen. Neu kostet das Ganze natürlich mehr, da müsste ich mal...“
„Lass en Sie mal, gebraucht reicht völlig“, unterbrach ich ihn. „Zweihundert?“
„Oder drei hundert - kann ich so genau noch nicht sagen. Wenn wir die Pumpe billig kriegen und
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