Liebe oder so
nichts anderes mehr denken. Ich ging ein Stück die Straße hinauf und spürte die kalte Luft in meinen Lungen.
Als ich um die Ecke bog, beschleunigte ich meinen Schritt und lief schließlich, MarieMarie, lief schneller, legte an der nächsten Ecke noch einen Gang zu, Marie, ich rannte, Marie, rannte, was das Zeug hielt, mein Kopf hämmerte von Alkohol und Dope, der Anstrengung und von meinen ganzen Gedanken, der Verband hatte sich gelöst und rutschte mir ins Auge, keuchend lief ich aus und blieb stehen, nach vorn gebeugt und nach Luft schnappend. Ich war fix und fertig, aber Marie war immer noch da.
28
In den ersten Januartagen fuhr ich mehrere Touren für Ibrahim. Das Arbeitsamt schickte mich immer noch zu Firmen, die kein Interesse an mir hatten, mein Absagenordner wurde dicker und mein Arbeitsberater mäkelte an meinem Profil herum. Alles war also in bester Ordnung.
Ibrahim s Fahrten brachten mir ein paar zusätzliche Scheine ein. Ich schickte den Videorecorder in Rente, kaufte einen edlen DVD-Player und gönnte uns ein paar Artikel aus der Feinkostabteilung. In der freien Zeit fertigte ich eine ganze Reihe guter Drachenzeichnungen für diesen Wettbewerb an. Caro half mir dabei, ihre Spezialität waren Flammen und Hintergründe. Seit Weihnachten hielten sie und Armin ihren Waffenstillstand aufrecht, sie überlegte sogar, wieder zurückzugehen.
„Er bemüht sich wirklich“, sagte sie, „so nett war er schon lange nicht mehr zu mir.“
„ Nett “, ich wiederholte das Wort probehalber, „reicht das denn?“
Sie legte den Stift beiseite und lehnte sich im Stuhl zurück. „Ich hab mir vorgenommen, nicht mehr so viel zu erwarten.“
„Tja, so kann man’s natürlich auch machen.“
„Sagt gerade der Richtige.“
„Ich werde jedenfalls nicht alles hinnehmen, was mir Marie vor den Latz knallt“, erwiderte ich, aber ich war mir mittlerweile nicht mehr sicher. Wir hatten in den ersten Tagen nach dem Krach nur zwei Mal kurz miteinander telefoniert, und es fiel mir schwer, ihr gegenüber hart zu bleiben. Ich wusste, dass Caro Recht damit hatte, wenn sie sagte, ich solle Marie Zeit lassen.
Zwei Wochen und ein Dutzend Telefonate später starteten wir unseren nächsten Versuch miteinander. Wir waren spät dran, die ersten Gäste gingen bereits. Alle waren Anfang zwanzig, ich kam mir ein bisschen fehl am Platz vor.
Carolin war leider nicht mitgekommen, sie hatte sich mit Armin in der Stadt verabredet. Da ich immer noch darauf hoffte, sie und Christian wieder miteinander verkuppeln zu können, hatte ich beim Weggehen mit Zufriedenheit registriert, dass sie sich zu dem Treffen nicht besonders herausgeputzt hatte. Armin würde sich warm anziehen müssen.
Das mit der Party war Maries Idee gewesen. Ich für meinen Teil legte keinen Wert darauf, ihre Freunde kennenzulernen, ich kannte ja nicht mal meine eigenen. Bis auf Chris und Carolin hatte Sonja sie ebenso mitgenommen wie den besten Teil unseres Geschirrs.
Das Wohnzimmer war kaum beleuchtet, ein Spot lag auf der Stereoanlage, vom Feinsten war die. Ein junger Typ mit Mütze legte gerade eine Platte von Offspring auf, die die Fensterscheiben zum Klirren brachte. Im Hintergrund lief der Fernseher ohne Ton, auf dem Sofa wurde geknutscht. Keine Ahnung, wer eigentlich von einem Kanal in den anderen schaltete, vielleicht lag ja einer auf der Fernbedienung. Ansonsten schoben sich Massen von grünen Jungs an uns vorbei, Afri-Cola in der einen, Kippe in der anderen Hand, die Mädchen hockten vermutlich im ersten Stock beieinander. Mich erinnerte das alles an meine eigene Jugend, selbst den Nudelsalat gab es immer noch.
Jeder hier schien Marie zu kennen, auf Schritt und Tritt wurde sie angequatscht. Die Gespräche drehten sich um Studium, Geschwister, Eltern und Schulprobleme. Die Kleinen gingen mir auf den Wecker, ich seilte mich ab und organisierte mir erstmal etwas zu trinken. Diese Generation Alcopop hatte ja keinen Schimmer, es gab Himbeerbowle, Wodka-Feige und Jägermeister, nur mit Mühe erwischte ich noch ein simples Bier.
Zunächst versuchte ich mein Glück bei einer Runde von Jungstudenten, die sich mächtig in Schale geschmissen hatten. Leider stand der Altersunterschied wie eine Mauer zwischen uns, wir hatten uns nicht viel zu sagen. Dafür kam ich mit dem Typen hinter dem Plattenteller ins Gespräch, er trug ein T-Shirt mit der Aufschrift „Glühbirnen sind böse“ und eine dieser gelben Raverbrillen, ohne die es heute anscheinend nicht
Weitere Kostenlose Bücher