Liebe oder so
das passende Alter für diesen Wagen bereits erreicht hätte.
Vielleicht würde ich nicht mehr richtig schlafen können, nach fünfzig Jahren Arbeit wäre ich autom atisch um sechs in der Frühe wach und würde um sieben frühstücken, die Sonderangebote in der Zeitung vergleichen, danach eine kleine Dusche, rasieren und warten, bis der Baumarkt aufmacht, ein paar Kleinigkeiten besorgen, ein wenig herumwerkeln, mein Kreuz verfluchen, warten, bis es Zeit zum Mittagessen war, danach ein Nickerchen, weiter arbeiten, mein Rheuma spüren, mit meiner Frau – welcher Frau eigentlich? Marie etwa? – einkaufen gehen, Kaffee trinken, den Rasen mähen, wieder in den Baumarkt, weil ich in meiner Schusseligkeit ein Teil vergessen hatte, werkeln... O ja, das Leben von Ludwig lag vor mir wie ein offenes Buch, ich fragte mich, wo darin der göttliche Plan stecken mochte.
Die Stadt war zu klein, immer wieder gelangte ich in i rgendwelche Vororte, nirgendwo brannte Licht. Ich hielt an und rauchte draußen eine Zigarette. Helene war stolz darauf, dass der Aschenbecher noch unbenutzt war, ich respektierte das, wir Raucher sind heutzutage die tolerantesten Menschen auf Erden.
Ich musste pinkeln und betrat vorsichtig einen der Vorgä rten. In einer dunklen Ecke verrichtete ich an einer sorgfältig gestutzten Hecke mein Geschäft, ich konnte nur hoffen, dass es hier keinen Hund gab. Prompt bog in diesem Moment ein Auto in die Straße ein, die Scheinwerfer huschten über den Lack des Mercedes, ehe sie verloschen. Das Auto parkte genau gegenüber, eine Frau mit hochtoupiertem Haar stieg aus.
„K ennst du den?“, sagte sie.
„Nein“, antwortete eine Stimme, und ein Grauhaariger kletterte hinterm Lenkrad hervor.
„Hier zu parken, die haben Nerven... Die ganze Straße ist frei.“
Eben, dachte ich bei mir, die ganze Straße ist frei. Kop fschüttelnd umrundeten die beiden den Mercedes, während ich mit runtergelassener Hose dastand und versuchte, mich nicht zu rühren. Zum Glück waren sie für die winterliche Kälte ein bisschen zu dünn angezogen und hatten es eilig. Als ihre Haustür zuschlug, packte ich schleunigst ein, bevor mir was einfrieren konnte, und wollte mich eben wieder in den Wagen setzen, als ich in dem Haus hinter mir das Licht sah.
Es war schwach und kam offenbar von einer Tasche nlampe, ständig wechselte es seine Richtung, wurde hin und her geschwenkt und bewegte sich quer durchs Erdgeschoss. Ich sah mir das eine Weile an und überlegte, was zu tun sei. Ein Handy besaß ich nicht, eine Telefonzelle hatte ich auf dem Weg auch nicht gesehen. Auf die Idee, bei den Nachbarn zu klingeln, kam ich erst, als ich ums Haus schlich und die Hintertür nur angelehnt vorfand. Die Haustür war fest verschlossen gewesen, die Fensterscheiben intakt.
Dennoch, i rgendwas in mir sträubte sich dagegen, die Polizei zu alarmieren, wie sollte ich der meine Anwesenheit im Vorgarten erklären? Möglicherweise waren auch der Alkohol und Marie schuld daran, dass ich aus dem Bauch heraus handelte und meinen Verstand im Wagen zurückließ. Einen Moment lang zögerte ich noch, das Radkreuz aus dem Kofferraum des Mercedes in der Hand, dann betrat ich das Haus.
Es war eigenartig, sich durch die dunklen Wohnräume wildfremder Menschen zu bewegen, schemenhaft nahm ich die Umrisse der Möbel wahr. Mein Herz klopfte bis zum Hals, viel zu spät fragte ich mich, wieso ich nicht einfach wieder eingestiegen und nach Hause gefahren war. Vielleicht war der Einbrecher nicht alleine, vielleicht war er bewaffnet, vielleicht ein Wahnsinniger, dem es gar nicht um Geld, sondern darum ging, Menschen im Schlaf die Gurgel durchzuschneiden, so was hatte es schon gegeben.
Das Haus schien riesengroß zu sein, ich setzte einen Fuß vor den anderen, ganz vorsichtig, als ob ich rohe Eier auf einem Löffel vor mir her trage. Als ich um die Ecke bog, sah ich den Lichtschein wieder, nur wenige Meter vor mir glitt er über die Schranktüren der Einbauküche. Ich packte das Radkreuz mit beiden Händen und hob es über meine Schulter an, um im Notfall einen gezielten Schlag ausführen zu können.
Nur noch drei Meter trennten uns voneinander, zwe ieinhalb, ich schwitzte. Dann öffnete sich die Kühlschranktür vor mir, gleißendes Licht überflutete die Küche, und ich sah mich einem kleinen Jungen im Schlafanzug gegenüber, der vor Schreck das Würstchenglas fallen ließ, das er gerade wieder zurück stellen wollte. Das Klirren war ohrenbetäubend, entsetzt starrte er
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