Liebe oder so
dessen Familie hatte ihr nicht gut getan. Es hatte wohl Ärger gegeben, ihre Laune war seit Weihnachten saumäßig. Sie hatte mir wahnsinnig gefehlt in dieser Zeit, und nebenbei war ich auch total scharf auf sie, aber in ihrem Gesicht stand NEIN ZU ALLEM geschrieben.
„Weißt du was, geh doch zu deinem Macker zurück, wenn wir dir so auf die Eier gehen!“, schrie ich sie an, wir tauschten gerade im Beisein von Carolin Nettigkeiten aus. „Ich dachte, ich bekäme mal ein bisschen mehr ab als ne schnelle Nummer am Nachmittag.“
„Und ich hab gehofft, bei dir ein bisschen Verständnis zu finden.“
„Verständnis? Wofür denn? Dafür etwa, dass du mit Jochen und seiner Familie Skifahren gehst und mich hier hängen lässt - so wie du mich übrigens schon die ganzen letzten Wochen über hängen lässt?“
„Ich hab dir das erklärt !“, schrie sie zurück. „Und ich dachte, du hättest es kapiert!“
„Das kann man doch gar nicht kapieren! Ich hab nie was dazu gesagt, dass du nur ab und zu da bist und es noch nen anderen gibt. Aber die Lücke zwischen deinem ab und dem zu klafft immer weiter auseinander. Fällt dir das eigentlich auf? Bin ich für dich so was wie zweite Wahl?“
Sie war genauso verzweifelt wie ich, man merkte es ihr an. Im selben Augenblick, in dem mich Ziggy Stardust am Kopf traf und in tausend Stücke zersprang, wusste ich, dass all das nicht stimmte, was ich ihr da anlastete. Ich sah die Platte nicht kommen, weil ich mich auf diese Erkenntnis konzentrierte und Marie kurz aus den Augen ließ. Als ich mich wieder aufrichtete und die Hand von meinem Auge nahm, fiel gerade die Tür ins Schloss.
„Das war ja nicht grad eine Glanzleistung“, meinte Carolin trocken. „Komm her, du blutest den ganzen Teppich voll.“
Sie meinte, die Platzwunde müsse genäht werden, aber ich hatte keine Lust auf Krankenhäuser und ließ mir von ihr einen kleinen Verband anlegen. Wir bekamen uns zuerst über den Verband, dann über Marie und unseren Streit in die Wolle. Caro war der Meinung, wenn ich sie behalten wolle, solle ich etwas mehr auf sie zugehen und sie nicht noch unter Druck setzen.
„Sie weiß doch jetzt schon nicht mehr, wo ihr der Kopf steht, merkst du das eigentlich nicht?“
„Ich merke ehrlich gesagt nur, dass sie mir durch die Lappen geht.“
„Sie mag dich.“
„ Das merkt man.“ Ich befühlte meinen Verband.
„Sie mag dich“, wiederholte sie.
„Und ich sie erst“, sagte ich. „Aber im Gegensatz zu mir ist sie nicht bereit, ne klare Ansage zu machen, was oder wen sie eigentlich will .“
„Vielleicht weiß sie es selbst noch nicht. Lass ihr noch ein bisschen Zeit.“
„Jaja, ich bin ja noch jung.“
„ Himmel, du bist vielleicht ein selbstgefälliger Arsch!“ Sie warf mir die losen Enden des Verbands ins Gesicht.
In diesem Ton ging es noch ein Weilchen weiter. Wir hatten inzwischen beide Übung im Austragen von Meinungsverschiedenheiten, und es war abzusehen, dass keiner nachgeben würde.
Als Remy uns an diesem Morgen abholte, war mein rechtes Auge fast zugeschwollen.
„Mann, was haben sie denn mit dir gemacht?“, begrü ßte er mich. „Hast du Schulden bei der Russenmafia?“
Wir brachten den Krempel nach Hause und fuhren zu zweit nochmal los, um mehr Getränke zu besorgen. Die Party selbst uferte im Laufe des Abends aus, Remy kannte so viele Leute, dass wir quer übers ganze Stockwerk und das Treppenhaus bis in meine Wohnung hinein feierten.
Vom Feuerwerk bekamen wir nicht viel mit, unser Haus lag mitten in der Innenstadt. Nur ab und zu zischte eine Rakete über die Dächer hinweg und landete auf den Balkonen oder der Straße. Ich suchte überall nach Carolin, konnte sie aber in dem Durcheinander nicht finden.
Die Typen, die Remy eingeladen hatte, waren reichlich abgefahren, aber ich konnte in meinem Zustand ohnehin wenig mit Menschen anfangen. Ich rauchte was mit dem Rastafari, den ich nun schon öfters bei Remy gesehen hatte und der beim Fernsehen arbeitete. Er war high oder blau oder beides und erzählte mir wirres Zeug vom Klang der Wüste und der nordkoreanischen Bedrohung, ich sagte „Jaja.“ oder „Genau!“, ohne einen Schimmer zu haben, wovon er redete. Irgendwann schlief er ein, den Kopf an die Wand gelehnt, und ich ging wieder nach draußen.
Der Morgen dämmerte bereits, kein Mensch war auf der Straße. Ich trug nur ein T-Shirt, mein Atem machte kleine Wölkchen in der kalten Luft. MarieMarieMarie, ging mir durch den Kopf, ich konnte an
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