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Liebe oder so

Liebe oder so

Titel: Liebe oder so Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Montag
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Rückspiegel im Auge, ließ mich zurückfallen oder gab Gas, um zu s ehen, ob sie mir folgten, und hielt alle naslang an, kurzum: ich entwickelte auf dieser Strecke einen gewissen Verfolgungswahn, ohne zu wissen, wovor eigentlich. Dem Zoll, der Polizei, der Pharma-Mafia? Jedenfalls war ich froh, als ich endlich aus der Karre raus kam und Tarik die Schlüssel wieder in die Hand drücken konnte.

 
    26
     
    Heiligabend war der trostloseste Tag des Jahres. Der ganze Rummel drumrum war zwar nicht mein Ding, aber da alle anderen zu ihren Familien fuhren, saß ich alleine in der Stadt fest. Natürlich hatte Helene mich eingeladen, aber das wäre denn doch zuviel des Guten gewesen.
    Die letzte gemeinsame Zeit mit Sonja war bescheiden gelaufen, das hatte ich nicht vergessen, aber nun, wo alles vorbei war und Marie und ich nicht richtig in die Gänge kamen, tauchten mehr und mehr Bilder aus glücklichen Zeiten auf.
    Ich musste dann an solc he Dinge wie unsere Kanutour letztes Jahr denken, als wir das Kunststück fertigbrachten, auf dem ruhigsten Bach weit und breit zu kentern. Während unsere Klamotten im Ufergras trockneten, hatte sich Sonja widerstrebend von mir ins Gebüsch ziehen lassen. Ob sie solche Ausflüge auch mit Richard unternahm, jetzt, wo ich für sie nicht mehr existierte?
    Überall in den Kneipen und Bistros saßen havarierte T ypen herum wie ausgesetzte Hunde, ich brachte es nicht fertig, hinzugehen und ihnen in die Augen zu sehen. Stattdessen entstaubte ich meine Videokassetten und schlug die Zeit tot. Die Bänder quietschten in meinem uralten Recorder und die meisten Filme hatten inzwischen einen Rotstich, aber ich sah eine ganze Reihe alter Bekannter endlich mal wieder: Brando und Belushi, Matthau und Mitchum, Cagney und Chaplin. Alle tot, ich war der Letzte von uns. Der Gedanke war nicht einfach zu ertragen.
    Irgendwann brannten mir die Augen. Seit über neun Stunden sah ich nun fern, und ich schwöre, das war reine Notwehr. Sobald ich die Kassette wechselte, ertönten Schalmeien aus der Kiste, das ganze Land ein Kirchenchor. Ich stellte sie ab und legte ein paar Platten auf, die ich seit hundert Jahren nicht mehr gehört hatte. Draußen hatte es geschneit, den glücklichen Seufzer der Gemeinde konnte man bis in mein Wohnzimmer hören. Ich drehte den Ton lauter und machte mich selbst froh.
    Marie war über Weihnachten mit Jochen und dessen Familie ins Gebirge gefahren, weiß der Teufel, warum. Angeblich tat sie es um alter Zeiten willen, aber wir wussten beide, dass sie log. Ich wertete es als Rückschlag für uns, dass sie nicht bei mir blieb, aber vielleicht verlangte ich ja einfach zuviel.
    Carolin und Armin pendelten zwischen ihren Eltern. Die Ärmsten waren über Weihnachten komplett eingespannt und spielten das glückliche Paar. Carolin hatte mir das Versprechen abgenötigt, wenigstens am zweiten Feiertag zum Kaffee vorbeizukommen, aber ich war bereits entschlossen, die Angelegenheit zu vergessen. Mir war nicht nach Gesellschaft.
    Anfangs war ich noch davon ausgegangen, dass dieses seltsame Gefühl mit der Zeit verblassen würde, aber nun packten mich all die schönen Erinnerungen schon wieder am Kragen, das hing wohl an dieser kitschigen Jahreszeit. Ich lief Kreise in den Fußboden, blätterte in einem Buch, machte mir Kaffee, löschte alle Lichter und legte mich in die Wanne.
    Von nebenan drang eine schräge Blockflötenver sion von Ihr Kinderlein kommet durch die Wand. Die Tochter des Hauses übte für ihren großen Auftritt nach der Messe, wenn die ganze Familie zur Bescherung unterm Tannenbaum zusammenkam. Gedankenverloren spielte ich mit der Unterwasserkamera, die ich Sonja mal zu Weihnachten geschenkt hatte und die wir in der Badewanne ausprobiert hatten. Den Abzügen hatte ein Zettel des Entwicklungslabors beigelegen, auf dem man sich für die schlechte Qualität der Bilder entschuldigte, offenbar wussten sie unsere blanken Hinterteile nicht einzuordnen.
    Ich hielt es nicht mehr aus und stieg wieder aus dem Wa sser. Nass wie ich war, kramte ich in den Regalen und hielt nach kurzer Suche den Karton in Händen, der unter anderem vier Jahre gemeinsamen Lebens mit Sonja dokumentierte. Die letzten Fotos stammten aus der Zeit der Trennung, ich versuchte zurückzurechnen, wann uns die ganz großen Gefühle füreinander abhanden gekommen waren. Ich musste daran denken, dass sie jetzt wahrscheinlich gerade mit ihrem Richard auf der Couch ihrer Eltern saß und das Abendessen abwartete, das ihre

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