Liebe ohne Schuld
Mellie ermordet worden ist, dachte er. Verdammt!
Am Tag nach Mellies Beerdigung wurde Burke von einem verwirrt dreinblickenden Montague aus seinem Arbeitszimmer gerufen. »Mylord, Sie haben Besuch. Nicht nur Besuch, sondern auch noch andere Leute.«
»Sehr klare Ausdrucksweise, Montague. Ich komme sofort.«
Als er die Halle betrat, sah er, was Montague gemeint hatte. Lannie war mit ihren beiden Kindern zurückgekehrt, gleichzeitig war Knight eingetroffen und außerdem noch ein Mann, den Burke noch nie- im Leben gesehen hatte.
»Nun«, sagte er, »ich möchte alle herzlich willkommen heißen!«
»Onkel Burke! Onkel Burke! Wir sind wieder da und haben dir etwas mitgebracht!«
Burke fing die beiden heranstürmenden Mädchen auf und küßte sie ausgiebig.
»Und ich habe für jede von euch beiden ein Geschenk!«
»Die neue Tante?« fragte Virgie, die als Ältere gewissermaßen als Sprecherin der zwei fungierte. »Unsere Mutter hat uns erzählt, daß du ein Mädchen geheiratet hast, die ihren Mann ermordet hat …«
»Ach, du lieber Himmel!« fuhr Lannie errötend dazwischen. »So habe ich mich aber wirklich nicht ausgedrückt! Mrs. Mack wird euch jetzt ins Kinderzimmer bringen, und euer Onkel wird euch später dort besuchen. Nicht wahr, Burke?«
»Aber selbstverständlich.« Er küßte die kichernden Mädchen und übergab sie dann Mrs. Macks geduldiger Fürsorge.
»Burke«, begann Lannie, »darf ich dir Percy Kingstone, Lord Carver, vorstellen? Percy, dies ist mein Schwager Burke Drummond, der Earl of Ravensworth.«
Die beiden Männer schüttelten einander die Hand. Aha, aus dieser Richtung weht der Wind, dachte Burke. Der etwas untersetzte Mann wirkte ein wenig extravagant, doch er hatte einen liebevollen Gesichtsausdruck und kluge Augen. Danach wandte Burke sich an Knight. »Nun, alter Junge, was führt Sie denn hierher?«
»Ich möchte natürlich die Braut sehen«, entgegnete dieser. »Außerdem habe ich Lannie den Gefallen getan, und Anstandsdame gespielt. Vier Stunden lang saß ich zwischen den beiden!«
Lord Carver faßte lächelnd nach Lannies Hand. »Das hat er tatsächlich getan, Mylord, nur hat er drei Stunden lang tief geschlafen und geschnarcht.«
»Eine fürchterliche Lüge!« bemerkte Knight.
»Wir haben deinen Brief bekommen«, erzählte Lannie, »und dann auch die Anzeige in der
Gazette
gelesen. Corinne war wütend, daß du ohne die Familie geheiratet hast. Du kennst sie ja!«
»In der Tat«, bemerkte Burke und schenkte Lannie ein liebevolles Lächeln. »Montague wird sich um das Gepäck kümmern. Ich nehme doch an, daß ihr bleiben wollt, oder?«
Knight bestätigte diese Annahme, und etwa eine halbe Stunde später saß er mit Burke in dessen Arbeitszimmer, wo sie ungestört waren.
»Wo ist die Braut?«
»Sie schläft, jedenfalls hoffe ich das. Sie ist immer noch nicht ganz gesund und ermüdet rasch.«
»Ich wußte gar nicht, daß sie krank gewesen ist.«
»Doch. Sie ist in Hobhouse krank geworden, doch jetzt fühlt sie sich schon viel besser.«
Knight schlenderte zum Kamin hinüber und lehnte sich gegen den Sims. »Sie wollen mir wohl nicht verraten, was sich dort abgespielt hat, oder?«
»Um die Wahrheit zu sagen: Die Krankheit hat alles erleichtert. Ich habe Arielle geheiratet, ohne daß sie es recht begriffen hat. Wenn sie nicht krank gewesen wäre, hätte sie vermutlich niemals eingewilligt. Sie ist zutiefst verletzt, Knight, doch das hört sich alles reichlich seltsam an, nicht wahr?«
Schweigend betrachtete Knight den Freund.
Schließlich gab sich Burke einen Ruck. Er hatte mit Knight schon so viel erlebt, daß er sich ihm ruhig anvertrauen konnte. »Ihr erster Mann hat sie entsetzlich mißbraucht. Ihr Körper ist über und über mit weißen Narben bedeckt …« Er legte eine kleine Pause ein, und Knight war zutiefst betroffen, wieviel Schmerz und Wut sich auf dem Gesicht seines Freundes spiegelten. »Er muß sie entsetzlich brutal geschlagen haben! Jetzt verstehen Sie sicher die ganze Geschichte, nicht wahr? Ich möchte Sie von Herzen bitten, liebevoll mit ihr umzugehen. Ich freue mich, daß Sie gekommen sind. Wir hatten in der letzten Zeit noch einige scheußliche Vorkommnisse, doch Ihre Gegenwart wird Arielle bestimmt ablenken.«
Arielle war über die nette Gesellschaft geradezu entzückt. Während des Essens lachte sie sogar herzlich über Lord Carvers witzige Bemerkungen. Auf den ersten Blick hatte sie ihn eher für eine gut gekleidete Wurst gehalten, bis sie seinen
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