Liebe ohne Skrupel
paar der Kerle hatten ihre Umhänge über die Schultern zurückgeworfen, so daß ihre Kettenhemden deutlich zu sehen waren.
Der Anführer des Trupps hatte eine vertraute Gestalt vor sich, der er einen Dolch an den Hals hielt.
»Das ist Dallan«, flüsterte William. »Er hat Dallan gefangen.«
»Großer Gott.« Joannas Stimme erstarb.
Der Mann, der Dallan festhielt, gab einem der anderen ein
Zeichen, so daß dieser die Treppe hinaufrannte und mit dem Griff seines Schwertes an die Tür der Burg hämmerte.
»Öffnet im Namen des Großen Meisters des Ordens des Sternensteins. Öffnet oder sterbt.«
Cläre umklammerte mit zitternden Fingern den Fenstersims und beugte sich vor. »Wer ist da?«
Der Mann, der Dallan mit dem Dolch bedrohte, blickte auf. Dann warf er lächelnd die Kapuze nach hinten.
Cläre erkannte den Mann, der sich ihr einst als Raymond de Coleville vorgestellt hatte.
»Guten Abend, Lady Clare.« Lucretius' samtene Stimme und sein blitzendes Lächeln waren charmant wie eh und je.
Cläre starrte ihn an, als wolle sie einfach nicht glauben, daß er tatsächlich in den Hof ihrer Burg eingedrungen war.
Aber es ließ sich nicht leugnen.
Der helle Schein der Fackeln warf ein teuflisches Licht auf Lucretius' hübsches, falkengleiches Gesicht. Er war schlank und geschmeidig, wie sie ihn in Erinnerung gehabt hatte, ein ungemein attraktiver Mann mit langen, schmalen Fingern. Sein schwarzer Umhang umwehte ihn wie die ebenholzfarbenen Schwingen eines großen Raubvogels.
»Wie seid Ihr in den Hof gekommen?« fragte sie.
»Was für eine dumme Frage. Ich bin ein Magier.« Lucretius lächelte strahlend. »Öffnet die Tür, Madam. Ich will das Buch, das dieser närrische Junge mir nicht gebracht hat.«
»Tut es nicht, Lady Clare«, rief Dallan. »Laßt ihn nicht herein.« Er brach erstickt ab, als Lucretius ihm den Arm enger um den Hals legte.
Cläre beobachtete Lucretius genau. »Wenn Ihr wirklich ein so großer Magier seid, Sir, warum taucht Ihr dann nicht einfach in der Burg auf und holt Euch das Buch?«
Lucretius lächelte immer noch. »Irgendwo aufzutauchen und zu verschwinden ist harte Arbeit, Madam, selbst für einen begnadeten Magier wie mich.«
>>Seid Ihr wahnsinnig?«
»Ihr werdet mir das Rezeptbuch Eures Vaters bringen, oder ich werde Euren Barden an Ort und Stelle töten.« In Lucretius' Hand blitzte der Dolch. »Und dann werde ich zu Euch in die Burg kommen und Eure Leute einen nach dem anderen vor Euren Augen töten, bis Ihr Euch endlich dazu durchringt, mir das Buch zu bringen.«
»Laßt ihn mich töten, Lady Clare«, flehte Dallan. »Ich bitte Euch, laßt ihn mich töten. Ihr dürft ihm nicht aufmachen.«
Lucretius' Lächeln war eiskalt. »Ich gratuliere Euch, Clare. Ich hätte nicht gedacht, daß Ihr den jungen Dallan so leicht auf Eure Seite ziehen würdet, aber anscheinend ist er Euch treu ergeben. Ich hätte angenommen, der Junge wäre vernünftig genug, sich nicht gegen mich zu stellen, aber offenbar ist er dümmer, als ich dachte.«
»Ihr dürft ihm das Buch nicht geben«, schrie Dallan. »Es ist mir egal, ob er mich umbringt.«
Lucretius blickte unverwandt zu Clare hinauf. »Du kennst sie nicht gut genug, Junge. Sie hat ein zu weiches Herz. Sie wird niemals zulassen, daß du wegen eines Buches stirbst. Stimmt's, Clare? Kein Buch der Welt ist es wert, daß deswegen einer der Menschen stirbt, für die Ihr etwas empfindet, nicht wahr?«
»Nein«, sagte Clare eilig. »Ich werde Euch das Buch bringen, wenn Ihr versprecht, daß Ihr Dallan laufen laßt.«
»Ihr bekommt Euren Barden zurück, sobald ich Sir Humphreys Buch habe. Dieser ungeschickte Kerl hat mir sowieso nie besonders viel genützt.«
»Also gut, ich werde Euch das Buch aus dem Fenster werfen«, sagte Clare.
»Nein, Madam. Ihr werdet es mir bringen. Ich will nicht nur das Buch, sondern auch Euch.«
»Mich? Warum wollt Ihr mich?«
»Ich bin ein vorsichtiger Mann. Ich brauche eine bessere Geisel als Dallan, um meine Flucht zu sichern. Ihr werdet mich begleiten, bis ich Desire verlassen habe.«
>>Aber warum?« fragte Clare verzweifelt.
»Irgend etwas sagt mir, daß der Höllenhund von Wyckmere mit größerem Ernst um Euer Leben feilschen wird als um das des Jungen. Ihr seid Sir Gareth einfach wichtiger, oder nicht? Schließlich seid Ihr die Quelle des Reichtumes dieser Insel.«
»Ich bringe Euch das Buch.« Clare wirbelte herum und rannte zur Tür.
»Cläre, du darfst ihm nicht aufmachen«, sagte Joanna. »Wenn du
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