Liebe, Sex und andere Katastrophen
Profiltexte machten mich wirklich neugierig. So schrieb ich ein paar der Kandidaten an, nach einigem Hin und Her tauschte man Fotos aus, und schwupp, war Schluss, zu groß war jedes Mal der Schock auf meiner Seite. Kein Wunder, dass die alle mit Hilfe des Internets nach Frauen suchen mussten. Im wahren Leben würden die ja nicht mal eine Statistenrolle in der Geisterbahn ergattern. Tut mir sehr leid, aber das Auge liebt und vögelt bekanntlichermaßen mit. Und wenn schon das schriftliche Vorgeplänkel nicht wirklich fesselnd und erhellend war, dann ist mit Fotos von bierbäuchigen schwammigen Typen mit getönter goldberahmter Brille endgültig Schicht im Schacht. Die äußerst praktische Funktion „automatische Absage“ nutzte ich sehr oft.
Nachdem die vorgeschlagenen potentiellen Partner mit den meisten Matching-Points mehr zum Davonlaufen denn Anbändeln waren, und ich sowieso der Meinung war, dass diese Matching-Point-Sache einfach nur Marketing-Quatsch ist, räumte ich das Feld von hinten auf. Ich nahm die Profile, die laut Partnerbörse überhaupt nicht zu mir passen würden, genauer unter die Lupe. Und entdeckte das Profil von Nummer siebzehn. Nummer siebzehn war Musicaldarsteller. Und schon da hätten die Alarmglocken bei mir laut schrillen müssen. Ich kenne keinen Musicaldarsteller, der nicht schwul ist. Aber das verdrängte ich, denn Ausnahmen bestätigen jedes Klischee. Musicaldarsteller fand ich irgendwie drollig, und auch das, was er in seinem Profil über sich schrieb, klang witzig und charmant. Na Mensch, warum denn nicht, Versuch macht kluch, und so schrieb ich ihm. Er antwortete prompt, und wir amüsierten uns darüber, dass wir laut Matching-Points, ich glaube, es waren 5 von möglichen 100, lieber auf der Stelle Reißaus voreinander nehmen sollten. Wir schrieben uns ein paar Mal, und die Mails waren wirklich nett zu lesen, und schnell war die Neugier da, den anderen wirklich und ganz in echt kennen zu lernen. Sollte das der Volltreffer sein?, fragte ich mich schon heimlich jubilierend. Wir schickten uns Fotos, und ich verdrängte die Tatsache, dass er auf den Fotos eindeutig schwul daher kam. Er sah niedlich aus, gar keine Frage, aber mein Bauch schrie laut „Sag mal, du Blindotter, siehst du nicht, dass der stockschwul ist?!“. Natürlich sah ich Blindotter das, aber ich war so im Finde-einen-Typen,-unbedingt!-Tunnel gefangen, dass ich das verdrängte. Es war zudem die Zeit des Metrosexualismus, da durften alle Männer etwas weiblich daher kommen, das war schon in Ordnung so. Dass er mir Fotos schickte, auf denen er, weil Animateursjob auf einem Kreuzfahrtschiff, als Bauchtänzerin verkleidet und geschminkt war, nahm ich mit Humor.
Nummer siebzehn und ich verabredeten uns zum Telefonieren. Zweiter Schritt auf dem Weg zum echten Date. Erst Fotos, dann Telefonieren, dann Date. Auch hier verdrängte ich erfolgreich, dass er verdammt schwul rüber kam. Er lachte weibisch und affektiert. Trotzdem plauderten wir sehr lange und erzählten uns allerhand aus unserem Leben, und ich bildete mir ein, Nummer siebzehn interessant zu finden. So konnte ich hinterher auch stolz meinen Freundinnen erzählen, wir hätten nachts stundenlang telefoniert. Das klingt immer so gut, und so romantisch. Erschüttert wurden meine romantischen Möchtegern-Gefühle am nächsten Tag, als ich von Nummer siebzehn eine Mail im Postkasten fand, die mit der fröhlich geflöteten Zeile „Guten Morgen mein Schnuckelhasenschatz!“ begann. Mein Gesicht verzerrte sich zu einer verkrampften Grimasse des Abscheus, und glühend heiße Fremdscham verteilte sich augenblicklich in jeder Pore meines Körpers. Scheiße, wie peinlich war das denn?! Obwohl nun schon so viele Alarmglocken schrillten, nahm ich immer noch nicht Reißaus. Blödheit gehört bekanntlichermaßen immer bestraft, und da wurde auch bei mir keine Ausnahme gemacht. Und das ist auch gut so, denn wer so bekloppt ist und sich auf eine Möchtegern-Romanze mit schwulem Musicaldarsteller, der offensichtlich verdrängt, dass er schwul ist, einlässt, der gehört eben bestraft. Und zwar so richtig.
Die Strafe kam in Form eines schrecklichen Dates. Ich ließ mich tatsächlich auf ein Blind Date mit der nicht-schwulen schwulen Tanzmaus ein. Ich ahnte, dass das zu Nichts führen wird, außer der sofortigen Stilllegung unserer E-Mail- und Telefonkommunikation. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt, und ich wollte mir später nicht vorwerfen, es nichts wenigstens versucht zu haben.
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