Liebe stand nicht auf dem Plan
Moßbacher. Ich arbeite hier. Ich war am Einlass, als die aufgetaucht sind und angefangen haben, ohne Grund loszuprügeln. «
»Is gar nicht wahr, du Wichser«, brüllt einer aus der Ecke.
»Doch, genau. So war’s«, rufen andere.
»Ruhe!«, brüllt ein Ordnungshüter und steht auf. Er hat bis jetzt mit seinem Knie einen Mann zu Boden gedrückt und ihm den Arm auf den Rücken gedreht. »Name?«, herrscht der Beamte ihn an.
Vom Boden her keucht es: »Moßbacher, Stephan. Dr. Stephan Moßbacher.«
Das weinende Mädchen wischt sich über das Gesicht und sagt wütend zu dem Polizisten, der sie festhält: »Der hat doch gar nichts gemacht. Er hat nur dem Typen da drüben, der den Stein geschmissen hat, den zweiten aus der Hand geschlagen. Das hab ich …«
»Sie kommen jetzt alle mal mit, und dann klären wir das.«
Das ist doch wie in einem miesen Comic, denkt Dali, als er seinem Vater auf die Füße hilft. Keaths fragenden Blick quittiert er mit einem Achselzucken.
Bevor er ein Wort mit seinem Vater wechseln kann, werden alle an den Polizeiautos vorbei zum Mannschaftswagen gedrängt. Die Straße ist blockiert. Schaulustige kommentieren das Geschehen. Viele meckern, ein paar lachen. Es ist total peinlich und erst der Anfang, denkt Dali. Oder das Ende.
Die Verwandtschaftsbeziehung von Dali und Studienrat Moßbacher wird bei der Personalienüberprüfung festgestellt, und Dali hat das zweifelhafte Vergnügen, seine Aussage in Gegenwart seines
Vaters zu tätigen. So erfährt der, dass sein Sohn in einem Musikclub jobbt, der zuvor von Schlägern eine Drohung erhalten hat.
Er sieht Dali wütend an. Dann gibt er in seiner Eigenschaft als Studienrat kurz und bündig und unter Angabe der Satzzeichen zu Protokoll: »Mein Name ist Dr. Stephan Moßbacher ( Punkt). Wir leben seit einer Woche in Hamburg (Komma), zuvor waren wir wohnhaft in Harkirchen (Komma / Harkirchen mit ar und ohne ha), Kreis Starnberg. Ich unterrichte am Else-Lasker-Schüler-Gymnasium. Mein Sohn besucht das Helmut-Schmidt-Gymnasium. Ich wollte mir nur einen Eindruck vom Sound Club verschaffen, (Komma) da mein Sohn vorhat, (Komma) hier seine Freizeit zu verbringen. Als ich kam, (Komma) brach diese Schlägerei aus dem Nichts los. Ich habe lediglich versucht, (Komma) größeren Schaden zu verhindern.«
Der protokollierende Beamte nimmt die Rechtschreibhilfe dankbar an. Nach dem Diktat sieht er Dali lange und prüfend an. Der versucht, den Blick so neutral wie möglich zu erwidern. Nicht einfach, denn der Beamte trägt ein Lätzchen aus Meerschweinchenfell unter der Nase. Vielleicht ist es auch ein Schnauzbart.
»Jetzt würde ich gerne mit meinem Sohn nach Hause gehen«, beendet Dr. Stephan Moßbacher die gegenseitige Musterung.
»Wollen Sie Anzeige stellen?«, fragt der Beamte.
Gegen wen?, fragt sich Dalis Vater. Gegen das kleine aggressive Arschloch, das er umgeschmissen hat, oder gegen den Polizisten, der ihn auf den Boden geworfen hat? Er schüttelt den Kopf. »Ich bin zuversichtlich, dass Sie die Ursache der Schlägerei bald aufklären. Bestrafen Sie die Beteiligten einfach nach Ihrem Ermessen.«
»Da sind uns leider die Hände gebunden. Das müssen wir der Justiz überlassen«, bedauert der Beamte.
Mit Mühe versucht Dali, sich seinen Ärger nicht anmerken zu lassen, und beißt die Zähne zusammen.
»Na, denn Abmarsch, Junior«, entlässt ihn der Polizist. »Wenn wir noch Fragen haben, rufen wir an.«
Die Anspannung unter den Leuten, die nach dem Ärger doch noch zum Konzert wollen, legt sich, als ihnen klar wird, dass sie umsonst reinkommen. Nur den Nigger-Brüller weist Keath ab.
»Mann, war nich so gemeint. Ich wollte mich bloß in Sicherheit bringen, und du hast mir den Weg verstellt«, jammert er.
»Hau ab und überleg künftig, was du von dir gibst. Rassisten mag hier keiner. Ugly & Brilliant schon gar nicht.«
»Dein Kumpel hat mir eine reingehauen. Wir sind quitt, Mann!«
»Verpiss dich«, sagt ein Mädchen. »Mir wird schlecht von Typen wie dir.«
Das zieht. In der Einfahrt steht noch ein Streifenwagen, aber von Dali keine Spur. Keath zieht den Tisch in den Vorraum und holt eine Flasche Wasser bei Maika.
Sie hat eben erst von der Schlägerei erfahren. Ihr ist zwar aufgefallen, dass für eine Weile niemand mehr reinkam. Aber weil vor der Bar so ein Gedränge herrschte, hat sie es auch gleich wieder verdrängt. »Wo ist Dali?«
»Den haben die Bullen mitgenommen. Ihn und seinen Vater.«
»Was? Hä, sein Vater?
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