Liebe stand nicht auf dem Plan
Wieso?«
»Keine Ahnung, wo der herkam oder was er hier wollte.«
»Wenn er Leif Schwierigkeiten macht, ist Dali weg vom Fenster. Da kann ich ihm auch nicht mehr helfen. Das muss ihm klar sein.«
Keath nickt und lässt die Tür nicht aus den Augen. Immer noch jagt Adrenalin durch sein Blut. Der Club ist brechend voll, das Konzert gut und die Stimmung, bis auf einen Rest Unruhe, auch.
Für Nora ist die Party vorbei. Sie holt ihre Jacke und Tasche aus dem Büro. Als sie Keath sieht, verlangsamen sich ihre Schritte, er sieht ramponiert aus, und wieso ist er nicht draußen mit Dali?
»Nimmst du ’n Taxi?«, fragt Keath.
»Nee, wieso? Ich geh zu Fuß.«
»Unter keinen Umständen. Du kriegst Geld aus der Abendkasse, ich sag Leif Bescheid.«
Mit aufgerissenen Augen folgt Nora seinem Bericht von der Schlägerei. Nichts davon hat sie mitgekriegt. Mehmet bestimmt auch nicht, der ist immer noch am Schaltpult und regelt den Sound. »Was für Typen waren das?«
Keath zuckt mit den Achseln. »Schätz mal, Abgesandte der Pitbull-Glatzen. Maika hat recht, die machen uns die Hölle heiß.«
Ein Mädchen aus Noras Schule hat von ihrem Freund, der nach der Schlägerei keinen Bock mehr auf das Konzert hatte, eine SMS gekriegt. Sie beschließen, sich ein Taxi zu teilen.
»Schick mir ’ne Nachricht, wenn du weißt, wo Dali steckt«, bittet sie Keath.
Keath nickt. »Bis morgen.« Grüne Augen hat sie.
Das Fahrrad hat er am Getränkeschuppen stehen lassen, damit er einen Grund hat, wiederzukommen. Egal wie seine Eltern den heutigen Abend interpretieren und was sie daraus ableiten. Es ist zu deinem eigenen Besten, wenn wir dir untersagen …
»Wir müssen reden.«
War eh klar, denkt Dali.
Doch zunächst schlägt sein Vater nicht den Heimweg ein, sondern strebt quer über den Platz auf das Hans-Albers-Eck zu. Dali geht schweigend neben ihm her. Wenn er vorhat, ihn auf Briefmarkenformat zusammenzufalten, muss er ohne Stichwort auskommen.
Aber sein Vater hat anderes im Sinn und nimmt mit Schwung die drei Stufen zur Bar hoch. Doch da drinnen ist es voll, an ein Dazwischenquetschen nicht zu denken. Er eilt weiter, ohne ein Wörtchen zu verlieren. Zwei Ecken hinter der Silbersackstraße wird es überschaubarer. Zielstrebig steuert er das Café Geyer an und bestellt am Tresen: »Zwei Bier.«
Fehlt nur, dass er – aber zack, zack – sagt, denkt Dali peinlich berührt.
»Was für eins?«
»Astra.« Er grinst und dreht sich zu Dali um. »Man nennt es hier auch Maurerpipi.«
Dali sagt: »Mir ein Heineken, bitte.«
Ein Zweiertisch an der Tür wird frei. Sein Vater lässt sich auf den Stuhl fallen, reibt sich die Hände, lehnt sich zurück und wippt genüsslich mit den Füßen. Tut, als hätte er 5000 Rinder allein von den Appalachen nach Salt Lake City getrieben. Schließlich drückt er verbal aus, was seine Körpersprache Dali bereits laut entgegengebrüllt hat: »Ich war nicht schlecht.«
So läuft der Hase, denkt Dali. Daddy schlägert sich gern. Er nickt ihm zu. »Hätte nicht gedacht, dass du so gut in Form bist«, sagt er auf Hochdeutsch.
Sein Vater nimmt einen langen Schluck direkt aus der Flasche, dann reibt er sich die rechte Faust. »Ich sollte das öfter machen. Das entspannt.«
Dazu sag ich lieber nichts, denkt Dali.
»Kein Wort zu Petra«, sagt Dad.
Oha, das erleichtert allerdings einiges. »Okay.«
»Was für eine Band spielt heute im Club?«
Smalltalk? »Äh, Ugly & Brilliant.«
»Du hast da also einen Job gemacht. Was genau hast du denn da gejobbt, Sohn?«
»Ich habe ein Bild an die Wand gemalt und werde noch fünf weitere malen, und die monatliche Club-Compilation gestalte ich auch.« Dali betont den gegenwärtigen und zukünftigen Charakter seiner Tätigkeiten. Sein Job ist nicht vorbei, das muss seinem Dad klar sein.
»Wieso hast du dann Karten verkauft?«
Also doch ein Verhör und kein Smalltalk. »Aushilfsweise«, sagt Dali und fragt zurück: »Hast du gesehen, ob ich Post von Mary gekriegt hab?« Das nur zur Erinnerung, dass die Eltern seine erste Liebes- und Sexbeziehung durch den Umzug ruiniert haben.
Die Flasche seines Dads ist leer. Er schüttelt kurz den Kopf. Dann reißt er den Arm hoch, dreht den Oberkörper zurück und signalisiert, Garçon, noch zwei Bier.
Eine willkommene Möglichkeit für Dali, seinen Beziehungskiller- und Hooligan-Dad für einen Moment zu verlassen. Er steht auf und holt den Nachschub an der Theke ab. 3 Feet High and Rising von De La Soul tönt aus den
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