Liebe stand nicht auf dem Plan
Wahn. Wie ein Käfer liegt sie auf dem Rücken, strampelt, zappelt und kreischt vor Lachen. Es dauert, bis sie wieder auf die Beine kommt. Sie zieht sich am Schreibtisch hoch und schreibt:
UUU AAA
Dreimal U, dreimal A, ein guter Name. Oder noch besser, ein Schrei! Bei einem Konzert schreit man so. Oder wenn man sich mit Freunden balgt. Das schreit der Gemüsemann auf dem Fischmarkt, wenn er eine Kiste Ruuucolaaa verhökern will, und so schreit Tarzan nach Jane.
Vierzig Minuten lang kämpft Nora mit Leifs Dreck. Eine Viertelstunde geht dabei drauf, den Abfallberg in den Nachbarmülltonnen verschwinden zu lassen. Anschließend wird sie von Ekelattacken gezwungen, sich und ihre Klamotten zu desinfizieren. Und dann steht sie kurz vorm Platzen. Sie muss es loswerden,
muss es den anderen sagen, dass sie mit ihrem ersten eigenen Clubprogramm durchstarten wird.
Maika hat außer ihrem kleinen Affen-Tattoo auf der Leiste nichts an. Die Sonne malt Schatten in den ehemaligen Speicherraum. Er ist riesig, die Möbel gehen darin verloren. Maika fühlt sich wohl hier, am liebsten wenn es still und friedlich ist. Sie liegt neben Leif und knabbert Schokolade.
»Und, Schneckenprinzessin, was sagst du?«
»Find ich gut.«
»Was?«
»Dass sie ausprobieren kann, ob ihr Underage-Ding Publikum in den Club lockt«, sagt Maika. Sie kann es sich nicht vorstellen, und es interessiert sie auch nicht. Im Moment findet sie nur die fette Wolke in Pudelform spannend, die hoch über den Hafenkränen auf die Sonne zurast. Die Pudelschnauze franst aus, und … schnapp, weg ist die Sonne. Verschluckt, jammerschade. Maika zieht ihren taub gewordenen linken Arm unter Leif weg. Ohne Punkt und Komma kaut er ihr seit einer Stunde das Ohr ab. Zuerst regt er sich über den Drohbrief auf, der wirklich unglaublich ist, und dann über Nora, Nora, Nora. »Wenn du nicht willst, sag Nein, ansonsten lass sie doch machen. Oder willst du was von Nora?« Eine sachliche Frage. Sie ist Lichtjahre von der leisesten Eifersuchtsregung entfernt.
»Quatsch. Deck dein Äffchen zu, es friert. Die Sonne ist weg.«
Im Turm der St.-Katharinen-Kirche ertönt ein zweifacher Glockenschlag.
»Halb vier. Oh, oh, der Dreck der Welt verlangt nach mir.« Maika rollt sich über Leif.
Er versucht sie festzuhalten und verheddert sich in der Decke. Sie ist schneller.
»Was soll das? Komm ins Bett, Nacktschnecke!«
»Nie die eigene Putzfrau vom Arbeiten abhalten.« Maika grinst über ihre Schulter. »Wer putzt eigentlich hier?«
»Ich, natürlich. Unter die Decke mit dir!«
»Du? Soso …« Niemals hält Leif seine überdimensionierte Bude selbst in Schuss. Maika knöpft ihre Bluse zu.
»Ach, komm doch mal her und richte mich wieder auf.« Leif ist frustriert. Er hat die Zeit verquatscht, und jetzt zieht sich Maika zurück. »Die können auch ohne dich …«
»Klar«, und sie darf sich dann Mehmets Ausführungen über Teamarbeit und die Rolle des Einzelnen im Team reinziehen. Nein, danke. Jeans an, und ab, dann kann sie gemütlich zu Fuß gehen und kommt auf jeden Fall rechtzeitig an.
Warum macht nie jemand, was ich will, fragt sich Leif wütend. »Schließlich blech ich auch dafür!«
»Was???«
Es ist keine Frage. Das »Was« verhallt wie ein Peitschenschlag. Maikas Stimme lässt die geschmolzenen Eiswürfel in Leifs Whiskyglas wieder zu Klumpen gefrieren. Ihre Augen sinken auf die gleiche Temperatur ab. Dann nimmt sie ihre Schuhe in die Hand, geht auf Socken raus und haut die Tür hinter sich zu.
Isoliert und schallgedämmt dringt nichts von den Wutausbrüchen diesseits und jenseits der massiven Holztür an die Ohren derer, die gemeint sind. Der einheitliche Tenor ist: Was bildet der/die sich ein? Leif kocht vor Wut, dass Maika so tut, als habe er angedeutet, er wolle für den Sex mit ihr blechen. Das hat er nicht nötig. Er, der ein Mädel bloß angucken braucht, schon hängt sie an seinem Hals!
13
I’m not small, I’m not tall
Yolandas Wimperntusche ist fast alle, trotzdem findet Nora den Unterschied von getuschten zu ungetuschten Wimpern beträchtlich.
»Kann ich dein Make-up nehmen?«
Yolanda hört ihre Tochter im Badezimmer herumklappern und steht fassungslos vor dem Kleiderberg, der vor einer Viertelstunde, als sie mit dem Wohnungsputz fertig war, noch nicht auf dem Boden lag.
»Bei deiner Haut brauchst du kein …«
»Danke!« Nora betrachtet sich im Spiegel und findet das Ergebnis umwerfend. Haare schütteln und fertig.
Yolanda starrt sie an.
»Und?
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