Liebe stand nicht auf dem Plan
einen Schwächeanfall und Hunger kriegt.
Hinter der Bühne verstaut Mehmet Kabel und ärgert sich über den Bayer, der wie ein Rucksack an Noras Rücken klebt. Und nicht nur das ist der Grund für seine schlechte Laune. Ihm entgleitet wieder alles, das macht ihn total fertig.
»Wie spät?«, brüllt Nora über ihre Schulter.
Dali hält ihr seine Armbanduhr vor die Nase. 22:05. Nora macht in seine und Mehmets Richtung winke, winke und zischt ab. Dali hat Keath versprochen, sie nicht allein nach Hause gehen zu lassen, und setzt sich auch in Bewegung.
Mehmet kickt die Kabeltrommel unter die Bühne. Ihm fehlen die vertrauten Zweierputzaktionen. Seitdem sie zu fünft sind, wird jeder Mist lang und breit debattiert. Immer muss er kämpfen, um sich durchzusetzen, und trotzdem macht jeder, was er will. Maika ist ewig fort gewesen, um sich umzuziehen. Noch fünf Minuten länger, und Dali hätte einspringen müssen. Das
geht ihm auf die Nerven. Dabei hatte er beim Bühnenaufbau noch eine glücksverheißende Vision: Vor ihm tobt der Saal. Er steht auf der Bühne. Ganz vorne tanzt Nora, sieht zu ihm hoch und …
Beinahe hätte er Leif umgerannt, dem Maika eben mit steinerner Miene einen Drink serviert hat. Der Chef verschüttet Whisky aus seinem Glas und wedelt mit der Hand vor Mehmet, als wolle er – du Trottel – sagen. Und so fühlt er sich auch und reibt sich mit dem Ärmel die Whiskyspritzer vom Gesicht.
»Komm mit.«
Mehmet folgt Leif ins Büro, welches die Augen des Chefs, nachdem er es frustriert verlassen hat, noch nicht wieder erblickt haben.
Achtung! Frisch gereinigt! Muss trocknen! Steht jetzt groß mit pinkfarbenem Marker auf ein A4-Blatt geschrieben, mitten auf dem goldenen Wahnsinnssofa, unübersehbar.
»Donnerwetter«, murmelt Leif, stellt sein Glas auf dem Schreibtisch ab und kontrolliert Regale und Schubladen. Unmöglich können seine Unterlagen noch komplett sein. Die Regale sind fast leer. »Wenn was fehlt, kann sie ihre Kinderparty vergessen«, knurrt er.
Mehmet reagiert nicht.
»Was hältst du von dieser Underage-Sache?«
»Auf jeden Fall ein Versuch wert, und wenn’s läuft, sollten wir das …«
Leif blättert die Rechnungsablage durch und winkt ab. Er hat kein Interesse an einem langen Statement. »Wie kommst du klar?«
Was soll er sagen, dass er fertig ist und sich ins Bett legen will? Samstagnacht um zehn? Mehmet hält die Klappe.
»Ärger?« Leif zieht die Pappkiste, auf der PROSPEKTE steht, aus
dem Regal und kippt sie auf den Schreibtisch. Tatsächlich, seine gesammelten Prospekte sind noch da.
»Mit den Pitbull-Typen?«
»Haben wir etwa noch anderen Stress am Hals? Vielleicht was, von dem ich nichts weiß? Spuck’s aus. Ich bin entspannt, hab gerade ne Massage hinter mir.«
Mehmet könnte kotzen. Klar, Maika war lang genug weg. »Nee, alles ruhig und friedlich im Moment.«
»Das Organisatorische hast du im Griff«, sagt Leif und schiebt den Werbekram zurück in die Kiste.
Will er den Chef raushängen lassen? Bisschen Schulterklopfen? Mehmet kapiert nicht, was Leif von ihm will, und fragt nach, ob er auf der Davidwache etwas über die Schläger erfahren hat.
»Das Übliche. Alle behaupten, die andern hätten angefangen.« Leif wird das Gefühl nicht los, dass er sich verlaufen hat. Das ist nicht sein Büro. Er steckt sich eine Zigarette an und nimmt einen tiefen Schluck aus dem Glas. »Was ist mit dem Neuen?«
»Dali? Alles okay, er hat seine Zeugenaussage gemacht, und sie haben ihn laufen lassen.« Dalis Vater erwähnt er nicht und hofft, dass Leif nichts davon weiß, dass der auch in die Schlägerei verwickelt war.
Leif zieht zwei zusammengefaltete Blätter aus seiner Jacke. Eins hält er Mehmet hin. »Wie findest du das?«
Es ist die Fotokopie einer Skizze. Ein Tänzer, den man unschwer als Keath erkennen kann, inmitten einem Pulk von anderen Tänzern. Mehmet versetzt es einen Stich. »Es ist … gut.«
Dann hält ihm Leif das zweite Blatt hin. Mehmet erkennt sich selbst. Mit der rechten Hand scratcht er eine durch die Luft segelnde Schallplatte. Er hält den Kopf schräg und lacht. Die Pose erinnert an das berühmte Foto von Bob Marley, bloß dass er
statt dessen Rastalocken eine schwarze Mütze aufhat. Mehmet grinst. »Sehr gut!«
»Dann sag ihm, er kann sich die Wände vornehmen. Aber wir müssen die Glatzen loswerden, sonst haben wir nicht lange was davon.«
»Die schicken dieselben Schläger nicht noch mal. Wir passen auf. Dali ist mit am Einlass und ich auch,
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