Liebe, Stolz und Leidenschaft
zu beantworten.
Jared schob den Brief zur Seite. Und fand die Fotos.
Die meisten waren zerknittert, als hätte man sie achtlos in eine Schublade geschoben oder hastig in eine Tasche gestopft. Zum erstenmal sah er Jim Morningstar. Die gelungene Aufnahme eines Mannes mit hartem Gesicht und schmalen Augen, auf einem Pferd in einer engen Box.
Die dunkle Haut, die hohen Wangenknochen, die Savannah geerbt hatte . Aber sonst gab es wenig in diesem zähen, ledrigen Gesicht, das der Vater an seine Tochter weitergegeben hatte. Abgesehen von dem Kinn, dachte Jared. Dem Kinn, das bei jedem Faustschlag, den das Leben ihm verpaßt hatte, nur noch höher gereckt wurde.
Er fa nd ein weiteres Foto. Es steckte in einem billigen Rahmen und zeigte Jim Morningstar neben seiner jungen Tochter. Lächelnd betrachtete Jared das Bild.
Savannah war dreizehn, vielleicht vierzehn. Groß, schlank, in Jeans und einem Flanellhemd, mit den ersten weiblichen Rundungen, das Haar unter einem Cowboyhut.
Sie schaute in die Kamera, auf dem Gesicht die ersten Anzeichen jenes wissenden Lächelns, das zu der Frau gehörte, die noch aus ihr werden sollte. Sie stand selbstsicher da, fast ein wenig arrogant.
Eine Hand lag locker auf der Schulter ihres Vaters, Jim Morningstar hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Er berührte seine Tochter nicht.
Ein drittes Foto zeigte eine noch jüngere Savannah auf einem Pferd. Es war eine klassische Pose, bei der der braune Wallach mit den Vorderhufen hochstieg, die Reiterin sich den Hut vom Kopf riß und seitwärts hochstreckte.
Sie sieht aus, dachte Jared, als hätte sie vor nichts und niemandem Angst.
Er sah Morningstar mit anderen Männern, grinsenden, zähen Burschen mit Hüten, Stiefeln und Jeans. Im Hintergrund Koppeln, Stallungen, Pferde. Immer wieder Pferde.
Jared kam dabei die Idee, auf der Farm ein Stück Wald zu roden, eine Koppel anzulegen und ein oder zwei Pferde in die Scheune zu stellen. Savannah schien Pferde zu lieben, und Bryan ...
Doch dann starrte er auf das letzte Foto und vergaß, was er gerade gedacht hatte.
Savannah war etwa sechzehn Jahre alt, mit einem Körper, der einer Frau gehörte, bekleidet mit einem engen T-Shirt und perfekt sitzenden Jeans. Aber ihr Gesicht besaß eine Weichheit, eine Fülle, die verriet, daß das Mädchen noch nicht ganz zur Frau geworden war. Sie lachte in die Kamera, und Jared glaubte fast, sie hören zu können.
Sie hatte die Arme um einen Mann gelegt. Und der Mann hatte seine Arme um sie gelegt. Sie hielten einander Umschlungen und strahlten beide in die Kamera. Der Mann hatte seinen Hut in den Nacken geschoben, so daß seine blonden Locken in der Brise zu wehen schienen. Er war gebräunt, schlank, groß, die Augen blau oder grün. Der Mund war zu einem schiefen Lächeln verzogen, wie Jared es von Bryan kannte.
Dies war Bryans Vater.
Jared spürte, wie der Zorn ihm den Atem raubte. Dies war der Mann. Ein Mann, wiederholte er stumm, kein Junge. Das Gesicht war markant, sogar auffallend attraktiv, aber gewiß nicht das eines Teenagers. Dieser Mann hatte ein sechzehnjähriges Mädchen verführt und es anschließend schmählich im Stich gelassen. Und niemand hatte dem Mädchen beigestanden.
Morningstar hatte das Foto behalten. Also, dachte Jared mit einem verächtlichen Schnauben, hatte er alles gewußt.
Aber niemand hatte Savannah geholfen.
Savannah beobachtete Jared von der Tür aus. Ihre Gefühle waren den ganzen Tag mit ihr Achterbahn gefahren. Das hier sah nach einer weiteren steilen Abfahrt aus.
Sie wollte die Gereiztheit und die Wut vergessen, mit der sie Jareds Kanzlei verlassen hatte. Sie hatte gehofft, nach Hause zu kommen, Jared dort vorzufinden und sich mit ihm darüber zu freuen, daß sie Howard Beel drei Bilder verkauft hatte.
Und vielleicht würde Beel sogar noch ein viertes kaufen.
Sie und Bryan hatten auf der Heimfahrt darüber gelacht. Über Howard und wie er herumgedruckst hatte, als sie ihm einen seiner Ansicht überhöhten Preis genannt hatte. Und wie er ihr schließlich eine Summe anbot, die ihre kühnsten Erwartungen weit übertraf.
Sie hatte sogar einen kleinen Umweg gemacht, um eine Flasche Champagner zu kaufen, damit Jared und sie den Triumph gebührend feiern konnten. Den Triumph, daß ihr langgehegter Wunsch, von der Malerei leben zu können, langsam in Erfüllung zugehen schien.
Doch jetzt sah sie, daß es keine Feier geben würde. Der Blick, mit dem Jared die Bilder betrachtete, die ihr Vater ihr hinterlassen hatte,
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