Liebe um Mitternacht
warf Adam und den anderen Männern einen nervösen Blick zu, dann sah er schnell weg. »Sie haben mit ihrem unkonventionellen Verhalten meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Ständig sind Sie allein herumgelaufen, ohne eine anständige Begleitung – was haben Sie denn von einem Gentleman erwartet?«
Alle Luft schien aus Adams Lungen gewichen zu sein. Er wagte es nicht, sich zu bewegen. Er wusste, wenn er sich in diesem Augenblick nicht vollkommen unter Kontrolle hielt, würde er Ivybridge ganz sicher umbringen.
»Es stimmt, dass ich lange Spaziergänge gemacht habe, um meine Romane zu überdenken und neue Gedanken zu fassen«, stimmte Caroline zu. Sie presste die Lippen zusammen. »Auf dem Land ist das alles ganz anders, dort ist alles wesentlich entspannter. Niemand im Dorf hat sich daran gestoßen, nur Sie. Und an diesem Tag waren Sie wütend, weil ich Ihre Annäherungsversuche abgewiesen hatte. Später, als Aurora Kent dann Anzeichen zeigte, recht gefährlich zu werden, haben Sie sie auf mich gehetzt.«
»Und was ist geschehen?«, fragte Julia.
»Aurora ist mir an einem Nachmittag gefolgt«, berichtete Caroline. »Ich schwöre, sie hat mich verfolgt, als wäre sie ein Jäger und ich die Beute.«
»Gütiger Himmel«, flüsterte Julia.
Ivybridge rollte mit den Augen. »Was für eine melodramatische Vorstellung. Kein Wunder, dass Miss Connor Schriftstellerin für Sensationsromane geworden ist.«
Caroline warf Adam rasch einen Blick zu. »Aurora Kent hat mich entdeckt, als ich unter einem Baum saß und mir Notizen machte. Ich habe sofort bemerkt, dass etwas mit ihr nicht stimmte. Sie trug nur ein Nachthemd und Schuhe. Ich habe mit ihr geredet, habe sie gefragt, ob sie krank sei. Aber sie schien meine Fragen gar nicht zu hören. Sie hat immer nur die gleichen Worte gesagt, wieder und wieder.«
Adam konnte den Schrecken in ihrem Blick nicht übersehen. Er richtete sich auf und kam zu ihr hinüber, dann legte er ihr sanft die Hände auf ihre nackten Schultern.
Keiner rührte sich, keiner sprach ein Wort. Sogar Ivybridge schien sprachlos.
»Was hat sie gesagt?«, fragte Adam Caroline, als sei sonst niemand mehr im Raum.
»Sie sagte,
Du musst weggehen. Verstehst du denn nicht? Er wird zu mir zurückkommen, wenn du weggehst.«
Als sie Auroras Worte wiederholte, veränderte sich ihre Stimme, sie wurde eigenartig monoton. Sie versank wieder in Erinnerungen, begriff er, durchlebte den Alptraum noch einmal. Unter seinen Händen war ihre Haut eiskalt geworden. Er fühlte, wie ein Beben durch ihren Körper rann. Vorsichtig griff er fester zu und zwang sie so, ihn zu bemerken.
»Und was ist dann geschehen?«, fragte er in die Stille hinein.
Caroline sah ihn an, als sei sie gefangen in einem Wirbel, und nur er hielt das Seil in der Hand, das sie in die Sicherheit zurückholen konnte. »Sie hatte ein Messer hinter ihrem Rücken verborgen. Das hob sie hoch und lief auf mich zu. Sie hat versucht, mich umzubringen, Adam.«
Er zog sie in seine Arme und versuchte, sie mit seinem Körper zu wärmen.
»Du hast es überlebt«, flüsterte er in ihr Ohr und wiegte sie sanft hin und her. »Du hast es überlebt. Es geht dir gut, Caroline. Es ist alles vorbei.«
»Ich habe mich umgewandt, um davonzulaufen«, hauchte sie an seiner Brust. »Aber meine Röcke haben sich um meine Beine gewickelt, und ich bin gefallen. Sie war gleich hinter mir und hat versucht, mir das Messer in den Hals zu stoßen. Es ist mir gerade noch gelungen, mich auf die Seite zu rollen und aufzuspringen. Und dann bin ich losgerannt.«
»Caroline.« Mit ausgestreckten Armen kam Emma auf sie zu.
Aus dem Augenwinkel entdeckte Adam, wie Milly Emma die Hand auf die Schulter legte und sie so festhielt.
Ivybridge schnaufte verächtlich. »Zu Ihrer aller Information, es wurde nie ein Messer gefunden. Ich fürchte, das alles ist nur eine weitere Erfindung von Miss Connors überschwänglicher Vorstellungskraft.«
»Ich habe meine Röcke gehoben und bin zum Fluss davongelaufen«, sprach Caroline benommen weiter. »Sie war gleich hinter mir, ganz nahe. Ich wusste, dass ich ihr in meinem schweren Kleid nicht entkommen konnte. Und als ich dann am Fluss angekommen war, lief ich über die Brücke. Sie hatte mich fast eingeholt.«
Caroline war so angespannt, als würde sie noch immer um ihr Leben laufen, das fühlte Adam.
»Was in Gottes Namen hast du getan?«, fragte er gepresst.
»Ich habe mich schließlich an meinen Sonnenschirm erinnert. Er hing an meiner
Weitere Kostenlose Bücher