Liebe um Mitternacht
beleidigen, Madam«, erklärte er mit ausdrucksloser Stimme, »aber diese Schüchternheit ist ein wenig übertrieben, wenn Sie mir erlauben, das zu sagen. Immerhin sind Sie Schriftstellerin von Sensationsromanen.«
»Und was hat das zu bedeuten?«
»Jeder weiß, was das zu bedeuten hat.«
»In der Tat? Und was verrät Ihnen das über meine Persönlichkeit, Mr. Hardesty?«
Ihm kam der Gedanke, dass sie ihn damit in die Ecke gedrängt hatte. So etwas passierte ihm nur sehr selten im Umgang mit Frauen.
»Es bedeutet, dass Sie Geschichten schreiben, die sich zum großen Teil mit, nun ja,
Sensationen
beschäftigen«, meinte er, und dachte ein wenig zu spät daran, vorsichtig zu sein.
»Und was ist daran falsch?«
Er warf einen schnellen Blick nach rechts und links die Straße entlang, um sicher zu sein, dass niemand nahe genug war, um ihre Unterhaltung mit anzuhören. Das Letzte, was er jetzt wollte, war die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit.
»Es ist eine Tatsache, dass Schriftsteller von Sensationsromanen dafür bekannt sind, über das zu schreiben, was man als äußerst weltliche Dinge beschreiben würde«, meinte er leise.
»Und woher wollen Sie das wissen, Sir? Sie haben deutlich gemacht, dass Sie solche Romane gar nicht lesen.«
»Das ist wahr. Aber ich habe das letzte Kapitel des
The Mysterious Gentleman
gelesen. In dieser einen Episode wurde unmissverständlich von Ehebruch, ungesetzlichen Liebesaffären, als auch von einer heimlichen Eheschließung, einer entführten Kutsche und einem Mord gesprochen. Es ist also ganz deutlich, dass Ihre Romane eine Sensation nach der anderen behandeln.«
Sie lächelte ihn eisig an. »Ich bin beeindruckt von Ihrer neu erworbenen Kenntnis dieses Fachs, Sir. Aber vielleicht sollten Sie wirklich ein paar Kapitel mehr lesen, ehe Sie sich ein Urteil über den Autor erlauben.«
»Es besteht überhaupt keine Notwendigkeit, die Geschichte zu Ende zu lesen. Es ist offensichtlich, dass Edmund Drake ein sehr unangenehmes Ende finden wird. Mein Onkel und meine Schwester haben mir versichert, dass Sie dafür bekannt sind, die Bösewichter in Ihren Romanen ein schreckliches Ende finden zu lassen.«
Carolines Gesichtsausdruck veränderte sich. »Ihre Schwester und Ihr Onkel lesen meine Romane?«
»Ich fürchte, ja.«
»Ach so.« Diese Neuigkeit schien sie zu freuen. »Es ist immer eine große Freude zu erfahren, dass jemandem meine Arbeit gefällt.«
»Nun ja, wie ich schon sagte …«
»Ich verstehe sehr gut, warum Sie sich über die Anständigkeit meiner Romane so viele Gedanken machen.« Sie lächelte ihn warm an. »Natürlich möchten Sie nicht, dass Ihre Schwester sich mit unpassenden Dingen beschäftigt. Ich versichere Ihnen, dass meine Charaktere, auch wenn die Themen und die Handlung meiner Romane pft von reiferen Dingen handeln, angemessen belohnt oder bestraft werden, je nach der Moral ihrer Taten.«
»Das bedeutet nichts Gutes für Edmund Drake.«
»Sie brauchen sich um ihn keine Sorgen zu machen. Immerhin ist er der Bösewicht in der Geschichte. Sie sollten nicht vergessen, dass meine Helden immer den Sieg davontragen und schließlich die Heldin heiraten.«
Er stützte eine Hand gegen die Kutsche und beugte sich gerade weit genug zu ihr, um seinen Schatten über sie zu werfen. »Sagen Sie mir, Mrs. Fordyce, ist es schon je einmal passiert, dass Sie Ihre Helden und Ihre Bösewichte verwechselt haben?«
»Noch nie, Sir. Der Unterschied zwischen einem Helden und einem Bösewicht war mir schon immer vollkommen klar.«
Er sah, dass es in dieser Hinsicht überhaupt keinen Zweifel bei ihr gab. Drake war zum Scheitern verurteilt.
»Was für ein Glück für Sie, Madam«, meinte er.
In ihren Augen blitzte Verständnis auf. »Oh je. Sie nehmen das wohl persönlich, weil ich Ihnen gesagt habe, dass ich Sie als Modell für Edmund Drake benutzen wollte.« Sie lächelte ihn zerknirscht an. »Ich entschuldige mich dafür. Ich wollte Sie damit nicht beleidigen oder Ihre Gefühle verletzen, Sir.«
Was um alles in der Welt war nur in ihn gefahren, hier zu stehen und sich über Bösewichte und Helden zu streiten?
»Machen Sie sich keine Sorgen um meine Gefühle, Madam. Ich versichere Ihnen, ich habe schon schlimmere Beleidigungen ertragen müssen.« Er reckte sich und nahm die Hand von der Kutsche. »Sie können das wieder gutmachen, wenn Sie mir erlauben, Sie sicher nach Hause zu bringen.«
»Nun ja…«
»Falls sie noch immer Zweifel an meiner Identität haben, dann kann
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